Wenn es um Elektromobilität geht, wird über kaum ein Thema so kontrovers diskutiert wie über den Ausbau des Ladesäulennetzes. Die Abgeordneten des EU-Parlaments und die schwedische Ratspräsidentschaft haben sich kürzlich auf einen Kompromiss für Strom- und Wasserstofftankstellen an den wichtigsten Verkehrsadern geeinigt.
Die Versorgung mit Fahrstrom ist entscheidend für die Attraktivität von E-Fahrzeugen. Bis 2026 wird jedes EU-Land verpflichtet, an viel befahrenen Autobahnen zumindest alle 60 Kilometer Ladestationen mit einer Leistung von zusammen 400 Kilowatt (kW) aufzustellen, bis 2028 soll diese auf 600 kW hochgefahren werden. Die Leistungsangaben sind wichtig, weil vor allem Schnelllader mit mindestens 22 kW gebraucht werden. Sogenannte Ultraschnelllader mit 150 kW und mehr können die Batterie eines Elektroautos in gut einer Viertelstunde zu knapp 80 Prozent laden. Das kommt dem Tanken von Sprit zeitlich schon ziemlich nah.
Die Preise müssten leicht erkennbar und eindeutig vergleichbar sein, fordert das EU-Parlament. Ferner hat die EU-Kommission die Aufgabe, bis 2027 eine Datenbank aufzubauen, die über Verfügbarkeit, Wartezeiten und Preise informiert. Schon heute bieten Autohersteller Apps an, die freie Ladeplätze anzeigen und mit denen diese auch reserviert werden können. Ismail Ertug, SPD-Abgeordneter im EU-Parlament, sagte: „Die neuen Vorschriften werden dazu beitragen, die Infrastruktur ohne weitere Verzögerung aufzubauen.“
Hierzulande waren zum 1. Januar rund 80 000 öffentliche Ladepunkte gemeldet – die allermeisten davon nicht an Autobahnen, sondern neben Parkplätzen in Städten. Ein Plus von gut einem Drittel innerhalb von einem Jahr. Die Ladeleistung stieg sogar um 40 Prozent – wobei immer mehr Ultraschnelllader hinzukommen. Rund 7000 waren es zu Jahresbeginn. Rechnerisch können mit sämtlichen Ladesäulen 2,5 Millionen Elektroautos versorgt werden. In knapp sieben Jahren sollen aber 15 Millionen Stromer über die Straßen rollen.
Insbesondere an Autobahnen wird es auf superschnelle Stromtankstellen hinauslaufen. Doch da kommt der Aufbau der Infrastruktur nur schleppend in Gang. Ein Grund dafür dürfte auch sein, dass Tankstellenbetreiber verpflichtet werden sollten, schrittweise auf elektrische Energie umzustellen, doch diese Vorgabe wurde nicht umgesetzt. Erhebungen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) zeigen zudem, dass es bei der Ladeinfrastruktur regional extrem hohe Unterschiede gibt. Stark ausgeprägt ist sie an den Standorten der Autobauer, allen voran in der Volkswagenstadt Wolfsburg, es folgen Groß-Gerau (Opel), Dingolfing (BMW) und Böblingen (Mercedes). Deutlich unterversorgt mit Stromtankstellen sind insbesondere dünn besiedelte ländliche Regionen im Osten der Republik. Die 150-kW-Säulen sind dort praktisch gar nicht vorhanden.
Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag als Ziel für 2030 eine Million Ladepunkte vereinbart. Doch Kerstin Andreae, Chefin des Energiedachverbands BDEW, hält diese Anforderung für unzeitgemäß. Das hiesige Ladeangebot werde oft zu Unrecht kritisiert, da sich viele an der Zahl eine Million orientierten. „Um es klar zu sagen. Dieses Ziel ist technisch überholt, da es die Ladeleistung nicht berücksichtigt.“ Kritik an der EU-Einigung kommt vom europäischen Automobilverband ACEA: „Das Ergebnis bleibt weit hinter dem zurück, was notwendig wäre, um ehrgeizige Ziele der Fahrzeughersteller zu erreichen“, sagte Generaldirektorin Sigrid de Vries. Ihr geht es um die Versorgung der E-Lastwagen. Für die und für Busse soll gelten, dass alle 120 Kilometer je nach Bedeutung der Straße zwischen 1200 und 2800 kW Ladeleistung zur Verfügung stehen – allerdings bis 2028 nur an der Hälfte der Hauptverkehrsstraßen der EU. De Vries spricht von einer „Infrastrukturlücke“, weil Ausnahmeregelungen eine Abdeckung der Routen erschwerten und 2030 mindestens 50 000 Ladegeräte allein für schwere Lkw in der EU benötigt würden. Eine kurzfristige Überprüfung der Vorgaben für Lkw sei notwendig.