Das Deutschlandticket könnte ein Renner werden. Drei Millionen Tickets sind bereits verkauft, 750 000 davon sind neue Abos von Menschen, die bisher keine Monatskarten besaßen. Zwischen fünf und sechs Millionen neue Nahverkehrsnutzerinnen und -nutzer und elf Millionen Wechslerinnen und Wechsler von regionalen Abos erwartet der Verband deutscher Verkehrsunternehmen (VDV).
Wem aber nützt das Ticket am meisten? Großstadtbewohner mit lokalen Abos bekommen einen Freifahrtschein für Wochenendausflüge und Städtereisen, die Ersparnis im täglichen Vergleich aber ist überschaubar – wenn nicht der Arbeitgeber den Preis mit Zuschüssen für ein Jobticket weiter drückt. Wer aus dem Umland in die Metropolen pendelt, zahlte für ein regionales Abo bisher oft weit jenseits der 100 Euro und spart nun dementsprechend viel. „Den größten Klimaeffekt wird es bei den Pendlern über längere Strecken geben, also die aus Mittelstädten in die Großstädte fahren und diese Strecken bisher mit dem Auto zurückgelegt haben, weil das ÖPNV-Angebot vor allem wegen der Fahrpreise nicht attraktiv genug war“, sagt Felix Creutzig, Leiter der Arbeitsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Transport am Forschungsinstitut MCC in Berlin dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Wenn auf diesen Strecken Autofahrten durch Bahnfahrten ersetzt werden, dann ist das auf jeden Fall ein relevanter Effekt.“
Städte und Gemeinden außerhalb des engeren Verflechtungsraums der Großstädte, aber mit guter Verkehrsanbindung, könnten durch das 49-Euro-Ticket auch Zuzügler anziehen, erwartet Creutzig. Er sagt: „Grundstücke, Immobilienpreise und Mieten sind außerhalb der Großstädte und ihrer Vororte meist deutlich günstiger. Wenn es eine gute Zugverbindung gibt und das 49-Euro-Ticket mit einem Jahrespreis von unter 600 Euro das Pendeln auch über größere Distanzen deutlich günstiger macht, wird es finanziell höchst attraktiv, rauszuziehen.“ Doch geht damit nicht neue Zersiedelung einher – und könnte der mögliche Klimaeffekt des Deutschlandtickets also durch weitere Einfamilienhaus-Siedlungen und lokalen Autoverkehr konterkariert werden? „Ich sehe das nicht so kritisch“, sagt Creutzig. Im besten Fall würden Klein- und Mittelstädte so wiederbelebt, aber es finde keine weitere Zersiedelung statt.
Für die Städte sei das „eine große Chance, auf die sie sich auch ausrichten müssen“, fordert der Forscher. Kommunen müssten Möglichkeiten schaffen für Zuzug in ihre Zentren, damit die Pendler ohne Auto gut zum Bahnhof kommen. Für eine Klimabilanz des 49-Euro-Nahverkehrsabos sei es aber noch unklar, wie viele Autofahrten durch das Ticket wirklich eingespart werden – und wie viel zusätzlichen Verkehr das neue bundesweite Nahverkehrsabo verursacht, also Fahrten, die sonst gar nicht unternommen worden wären. Von beiden Variablen hängt entscheidend ab, ob das Ticket einen messbaren Einfluss auf den CO2-Ausstoß in Deutschland haben wird. Creutzig hält die VDV-Schätzung von bis zu fünf oder sechs Millionen neuen Abonnentinnen und Abonnenten für „recht optimistisch“, und für geradezu „sehr wagemutig, anzunehmen, diese fünf Millionen neuen Abonnenten wären alle bisher mit dem Auto gependelt und würden es nun komplett stehenlassen.“Christian Böttger, Wirtschaftsprofessor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft, hält das Ticket sogar für geradezu schädlich. Er sagte der „Berliner Zeitung“: „Das Deutschlandticket ist eine Subvention von unten nach oben.“ Es verbillige vor allem die bestehenden Nahverkehrsabos von Gutverdienern aus den Vororten. Wer von dort mit dem Auto zur Arbeit fahre, werde sich zudem nicht umstellen. „In diesen Kreisen heißt es: Wenn ich nicht direkt im Einzugsbereich eines Schnellbahnhofs wohne, fahre ich lieber mit dem Auto zur Arbeit. Auf jeden Fall nicht mit dem Bus zum Bahnhof“, sagte Böttger dem Blatt.