Dabei gebe es je nach Wohnort deutliche Unterschiede, erklärt Ahrens: So seien Kinder, die auf dem Dorf leben, häufiger mit dem Fahrrad unterwegs als Stadtkinder. In den Dörfern sei es zum Beispiel immer noch üblich, Schulfreunde im Heimat- oder Nachbardorf mit dem Rad zu besuchen. In der Stadt komme das nicht so oft vor. Zum Teil sei es in städtischen Haushalten auch gar nicht üblich, dass die Erwachsenen Rad fahren, entsprechend werde den Kindern in der Hinsicht nichts vermittelt . „Das ist ein großes Problem“, meint Ahrens.
So sei es nicht ungewöhnlich, wenn Kinder erst im Alter von zehn bis elf Jahren zum ersten Mal auf einem Fahrrad sitzen, sagt der Verkehrsexperte. Und dann wüssten die Kinder auch nicht, wie genau ein Rad eigentlich ausgestattet sein muss. Die Schulen würden nicht über genug Zeit und Personal verfügen, um die Schülerinnen und Schüler ausreichend fit für den Straßenverkehr zu machen. An regelmäßige begleitete Übungsrunden mit dem Fahrrad sei da meist gar nicht zu denken.
Daher lautet Ahrens’ Appell an die Eltern: „Fangen Sie früh an, mit Ihren Kindern im Straßenverkehr zu üben!“ Schon vor der Einschulung sollten Kinder die grundlegenden Verkehrsregeln kennen – das werde leider immer seltener, berichtet Ahrens aus Erfahrung. Als erstes praktisches Übungsgerät könne ein Laufrad taugen, bevor sich das Kind zum ersten Mal aufs Fahrrad schwingt. Auf gar keinen Fall sollte dieses Stützräder haben, betont Ahrens. Denn die seien kontraproduktiv, die Umstellung auf ein Fahren ohne Stützräder sei später zu schwierig – dann lieber gleich ohne.
In der Regel gibt es an den Grundschulen im Peiner Land einmal im Jahr eine Radfahrprüfung für die vierten Klassen. Dabei legt jede Schule selbst die Strecke für den praktischen Teil fest und wie lang die Runde ist. Im Fall der Eichendorffschule maß die Runde etwa einen bis anderthalb Kilometer. Allzu lang sei das nicht, „aber die Strecke hat schon ihre Tücken“, so Ahrens. So mussten die Schülerinnen und Schüler zum Beispiel die Vorfahrtsregel rechts vor links beachten, nicht nur auf dem Radweg, sondern auch auf der Straße fahren und einen Zebrastreifen überqueren. An einem solchen gilt: absteigen und schieben.
Bevor die vier Klassen der Eichendorffschule nacheinander starteten, prüfte Ahrens jedes einzelne Fahrrad. Unter anderem ging es darum, ob genug Reflektoren an den Speichen sind und ob die Bremsen sowie das Licht funktionieren. Hier und da gab es Mängel, die aber sofort von den Lehrkräften vor Ort behoben wurden – extra dafür stand ein Werkzeugkoffer bereit. Immer mit dabei war Klassenlehrer Sergej Schönknecht, der die Radfahrprüfung mit vorbereitet hat. Die meisten Schülerinnen und Schüler würden sich gut schlagen, sagte Schönknecht.
Jedoch gebe es im Schnitt pro Jahr und Klasse ein Kind, das die praktische Prüfung nicht besteht. Dann bekomme es auch keinen Fahrradführerschein. Der ist im Gegensatz zum Autoführerschein keine Voraussetzung, um überhaupt fahren zu dürfen. Allerdings dürfe die Schülerin oder der Schüler dann nicht mit dem Rad auf dem Schulgelände fahren – und bei Fahrrad-Ausflügen der Schule sei ein Fahren dann nur in Begleitung erlaubt. „Da gilt dann das Hausrecht“, so Schönknecht.
An der Prüfungsstrecke gab es 21 Stationen, besetzt von Eltern, die sich als Streckenposten freiwillig gemeldet haben. Allerdings habe es in diesem Jahr etliche Absagen gegeben, sagt Schönknecht. Entsprechend mussten einige Elternteile gleich mehrere Stationen im Blick behalten. Der theoretische Teil der Radfahrprüfung soll an der Eichendorffschule in den kommenden Tagen folgen – normalerweise gehe er dem praktischen Teil voraus, erklärt der Klassenlehrer.