„Gerda“ ist so ein gefährlicher Hund. Der gerade mal zwei Jahre alte, schwarze Cane Coros-Staff-Mischling habe bereits eine Tierärztin des Veterinäramtes gebissen, erzählt Tierheimleiterin Heike Brakemeier. Was ihr natürlich die Einstufung als gefährlicher Hund einbrachte. „Gerda“ sei aus einem Haushalt in Stederdorf beschlagnahmt worden. Die Besitzerin habe zum wiederholten Mal einen Hund gehalten, obwohl ihr das bereits untersagt worden sei.
In Niedersachsen muss ein als gefährlich eingestufter Hund an ein Tierheim oder eine ähnliche Einrichtung abgeben werden, wenn keine andere Erlaubnis vorliegt. Häufig seien die Halter der beschlagnahmten Tiere nicht zahlungsfähig, sodass die Kosten dafür beim Landkreis und damit letztlich bei den Steuerzahlern hängen blieben. Eine weitere Schwierigkeit: Geeignete Plätze für die Unterbringung, Resozialisierung und Vermittlung dieser Hunde sind extrem rar.
Auch „Dexter“, ein brauner Staffordshire-Terrier, ist ein Problemfall. „Er beißt nicht nur zu, sondern er geht direkt auf die Kehle, wenn er jemanden nicht kennt“, schildert die Tierheim-Leitung. Deshalb ist für ihn, wie auch seine Art- und Leidensgenossen Maulkorb und Leine bei jedem Spaziergang Pflicht.
Schuld an der Misere sind aber nicht die Hunde, sondern allein die Halter. „Die Tiere sind nicht so geboren, der Mensch hat das verbockt“, betont Brakemeier. Allen gefährlichen Hunden gemein ist: Sie haben keine Erziehung erhalten. „Ihnen wurden nie Grenzen gesetzt“, schildert die Leiterin. Dieses Versäumnis nachzuholen, bleibt nun an den Mitarbeitern des Tierheimes hängen, die versuchen, die als gefährlich eingestuften Hunde wieder sozialverträglich zu machen. „Wir trainieren täglich mit ihnen, sonst könnten wir mit ihnen gar nicht Gassi gehen“, so Brakemeier.
Neben der Gefahr, die von den Hunden ausgeht, gibt es aber noch ein weiteres Problem. Die Haltung der Tiere ist extrem kostenintensiv. Dem Landkreis Peine zufolge kostet die Unterbringung eines gefährlichen Hundes rund 500 bis 700 Euro pro Monat. Hinzu kommen Kosten für Tierarzt, Verhaltenstraining und -therapie sowie den Wesenstest, um solche Hunde vermittlungsfähig zu machen. Für einzelne nicht vermittelbare Hunde seien dadurch bereits Unterbringungskosten von bis zu 20.000 Euro aufgelaufen. Und auch sonst sind diese Tiere alles andere als günstig zu halten: „Die Steuer für diese Hunde ist erheblich höher, auch die Versicherung“, führt Brakemeier aus. Der Landkreis Peine plant daher, das Budget „Allgemeine Gefahrenabwehr“ für die Unterbringung gefährlicher Hunde zu erhöhen. Auf wie viel ist offen. Fakt ist: Die bislang veranschlagten 20.000 Euro reichen nicht mehr. Alternativ dazu kommen auch andere Unterbringungsmöglichkeiten in Betracht. Konkrete Pläne gibt es hierzu aber noch nicht.
Das Peiner Tierheim hat mit seinen 20 Zwingern keine Kapazität, die Hunde auf Dauer zu versorgen. Eine geeignete Langzeiteinrichtung mit der Möglichkeit zur Resozialisierung gibt es nicht. Doch die wird oft benötigt, denn bevor ein gefährlicher Hund zu einem neuen Besitzer darf, muss dieser viele Nachweise erbringen. Dazu zählt zum Beispiel ein Sachkundenachweis nach Paragraf 11 des Tierschutzgesetzes, der mehrere Hundert Euro kostet, ebenso ein Wesenstest, wenn der Hund auch mal ohne Maulkorb und Leine geführt werden soll. „Dafür muss man mit dem Hund aber erst mal eine Hundeschule besuchen, um zu üben“, erklärt Brakemeier. Und auch das kostet wieder viel Geld.
So gestalte es sich sehr schwierig, die gefährlichen Hunde zu vermitteln. Und: „Hund und Halter müssen zusammenpassen“, betont Brakemeier. Daher würde man auch nie einen gefährlichen Hund in einen Haushalt mit Kindern oder anderen Tieren abgeben. „Es kommt natürlich eine bestimmte Klientel, die so einen Hund gerne haben will, aber da geben wir die Hunde nicht hin“, erklärt sie.
Viele gefährliche Hunde aus ganz Deutschland sind über die Tierklappe im Peiner Tierheim gelandet. Inzwischen ist sie wieder geschlossen. Anlass dafür war die Abgabe eines Problemhundes aus dem Raum Bremen, der so aggressiv war, dass man keine Vermittlungschance sah. Er kam im Austausch für zwei Hunde nach Berlin ins Tierheim. Auch andere sichergestellte Hunde werden in Hundepensionen oder auch Tierheimen außerhalb des Landkreises Peine untergebracht. Mindestens zwei Anrufe täglich erhält das Tierheim von Haltern, die ihre bissigen Hunde abgeben wollen.
Allen Schwierigkeiten zum Trotz gelingt es dann aber doch immer mal wieder, einen Hund zu resozialisieren und in ein schönes neues Zuhause abzugeben. So etwa eine kleine Pinscherhündin, die mehrfach zugebissen hatte, der sich aber ein ehemaliger Mitarbeiter des Peiner Tierheims angenommen und erfolgreich durch den Wesenstest gebracht hat.
Bei etwa rund 30 Hunden pro Jahr wird im Kreis Peine eine Gefährlichkeit im Sinne des Niedersächsischen Hundegesetzes festgestellt. Davon müssen etwa zehn bis 20 Prozent sichergestellt werden, manche davon nur vorübergehend.
Pro Jahr gibt es im Kreis Peine etwa 50 bis 60 Beißattacken von Hunden, die angezeigt werden. Die Dunkelziffer liegt aber vermutlich weit höher.