In der Ortschaft hat sich die Nachricht über „den Dorffunk“ herumgesprochen. Die Rede ist davon, dass es seit drei Monaten ein „Einsatzverbot“ gebe. Das Thema kam auch in der Fragestunde des Vechelder Gemeinderats auf den Tisch. Jeder könne einmal auf schnelle, lebensrettende Hilfe angewiesen sein, heißt es aus der Liedinger Dorfgemeinschaft. Man könne daher nicht verstehen, warum solch eine gut geschulte und ausgerüstete Gruppe nicht zum Einsatz kommen solle.
Wegen ungeklärter Haftungsfragen beziehungsweise der haftungsrechtlichen Zuständigkeit der Kommune sei die Liedinger Notfallsanitäts-Gruppe von der Gemeinde Vechelde außer Dienst gesetzt worden, berichtet Fabian Laaß, Sprecher der Peiner Kreisverwaltung. „Es handelt sich um eine freiwillig übernommene Aufgabe. Für die Übernahme der daraus resultierenden Haftung durch den Landkreis fehlt die rechtliche Grundlage. Ein Verbot wurde seitens des Landkreises nicht ausgesprochen“, betont Laaß.
Dies bestätigt der Vechelder Bürgermeister Tobias Grünert (CDU). Die First-Responder-Einheit in Liedingen sei am 7. März dieses Jahres für Alarmierungen bei Rettungsdiensteinsätzen zunächst abgemeldet worden, weil in der Abstimmung mit dem Landkreis Peine Fragen aufgekommen waren. „Die Gemeinde Vechelde begrüßt und unterstützt ausdrücklich die Initiativen aus Reihen der Freiwilligen Feuerwehr Vechelde, sogenannte First-Responder-Einheiten zu etablieren“, erklärt Grünert. Dies spiegele sich auch in der Stationierung eines eigenen Fahrzeugs für diese Aufgabe in der Ortsfeuerwehr Liedingen im Mai 2022 wider.
„Mit der Indienststellung des Fahrzeuges, dessen Einsatzbereich ausschließlich in der First-Responder-Tätigkeit liegt, möchten wir in der Gemeinde Vechelde neue Wege beschreiten und das Rettungswesen weiter stärken“, betont der Bürgermeister. „Insbesondere soll hierdurch die Zeit bis zum Eintreffen am Einsatz- oder Unfallort weiter verringert werden.“
Aktuell arbeite der Landkreis an Rahmenempfehlungen zum Einsatzgebiet First Responder innerhalb der Freiwilligen Feuerwehren. „Zielrichtung der Gemeinde Vechelde ist es, die Einheit in Liedingen umgehend wieder einsatzbereit zu melden, sobald die Empfehlungen durch den Landkreis fertiggestellt sind“, sagt Grünert. Einen Ersatz gebe es derzeit nicht, weil die First-Responder-Einheit bislang lediglich unterstützend zum Rettungsdienst, der in die Zuständigkeit des Landkreises Peine fällt, tätig geworden sei.
Derzeit erarbeite der Landkreis als Träger des Rettungsdienstes eine Empfehlung für First- Responder-Gruppen. Diese sollten dann kommunal in entsprechende Dienstanweisungen für die First-Responder-Gruppen übernommen und umgesetzt werden, führt Laaß aus. „Darin werden Rahmenbedingungen für den Einsatz definiert, um eine Einheitlichkeit mit dem Rettungsdienst herzustellen und gleichzeitig die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen und Angehörigen entsprechend zu achten. Ebenfalls werden Mindeststandards in Bezug auf Ausrüstung und Qualifikation gesetzt sowie bestimmte Einsatzabläufe definiert.“
Weiterhin scheine es notwendig, dass die Kommunen ihre Feuerwehrsatzungen entsprechend um den Punkt der „Organisierten Erste Hilfe“ erweitern, um diese freiwillig übernommene Aufgabe auch hier abzubilden.
Auf Grundlage der Empfehlungen der medizinischen Fachgesellschaften sei im Kreis Peine das System Mobile Retter eingeführt worden. „Die Ziele sind deckungsgleich“, sagt Laaß. „Im Kreis Peine sind derzeit 262 Mobile Retter über das Kreisgebiet verteilt aktiv, der überwiegende Anteil davon sind Feuerwehrleute.“ Die Bürgerinnen und Bürger im Landkreis Peine würden in Notsituationen bereits durch die Mobilen Retter und die Kräfte des Regelrettungsdienstes schnelle und kompetente Hilfe erfahren. Der Einsatz von First-Responder-Gruppen sei hier allenfalls eine weitere Unterstützung.
Damit gibt man sich in der Vechelder Ortschaft nicht zufrieden. „Mobile Retter, First Responder und der etablierte Rettungsdienst arbeiten hervorragend zusammen“, sagt der Liedinger Siegmar Eggeling, der Dozent für Rettungsdienst ist. Mobile Retter seien aber nur unzureichend ausgerüstet. Die First Responder würden mit einem Einsatzfahrzeug mit Sondersignal ausrücken und seien mit Defibrillator, Intubation, Sauerstoff und Infusionen ausgestattet. Ebenso nutzen die Helfer Beatmungsbeutel und eine Absaugpumpe. Das Equipment der Mobilen Retter beschränke sich auf einen Satz Handschuhe und ein Beatmungstuch „Quick Breezer“, schildert Eggeling.
Damit Mobile Retter effizient und ohne Eigengefährdung am Patienten arbeiten können, „sollten sie mit einem Beatmungsbeutel und einer Absaugeinheit ausgerüstet und in der Handhabung ausgebildet sein“, erklärt Eggeling. Die für eine erfolgreiche Reanimation unverzichtbaren Defibrillatoren seien vielfach bei den Feuerwehren vorhanden. Den Mobilen Rettern stünden, wenn überhaupt, nur öffentliche Geräte zur Verfügung, von denen es im Landkreis aber nur sehr wenige gebe, die jederzeit verfügbar seien.
„Das First Responder allenfalls als eine weitere Unterstützung betrachtet werden, kann ich nicht nachvollziehen“, sagt Eggeling. Er und viele Liedinger hoffen nun auf eine schnelle Lösung, damit die Notfallsanitäts-Gruppe wieder eingesetzt werden kann. „Glücklicherweise hat auch die Schwerpunktfeuerwehr Vechelde-Wahle diese Idee aufgenommen und möchte ebenfalls eine First-Responder-Einheit aufstellen, wartet aber auf die Erlaubnis bereits seit zwei Jahren.“
Aus der Liedinger Ortswehr wollte sich niemand zu diesem Thema äußern.