„Eine Anhebung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie auf 19 Prozent würde schwerwiegende oder sogar fatale Folgen nach sich ziehen“, betont Kowohl. Nach drei extrem herausfordernden Corona-Jahren sei die Gastronomie mit verschiedenen weiteren Problemen konfrontiert: „Die Kosten sind explodiert“, so Kowohl. „Sowohl für Personal als auch für Lebensmittel und Energie.“ Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer könnten die Betriebe nicht selbst auffangen. „Das hieße, dass wir unsere Preise um 12 Prozent erhöhen müssten“, so der Dehoga-Kreisvorsitzende.
Dazu komme, dass die Kundschaft bereits selbst auch schon die gestiegenen Kosten in ihren Geldbeuteln spürten. „Eine weitere Steigerung der Preise könnten viele Betriebe nicht verkraften“, ist Kowohl überzeugt. Einschränkungen oder Schließungen von Betrieben seien die Folgen.
Dies bestätigt Bernd Weymann, Chef des Hotel- und Restaurantbetriebs Wendezeller Stuben und Vorsitzender des Dehoga-Kreisverbands Braunschweig-Wolfenbüttel. „Wir müssen die Inflation und die gestiegenen Energiekosten verkraften, dazu kommen 25 Prozent Tariferhöhung seit Mai vergangenen Jahres. Sollte die Mehrwertsteuer erhöht werden, klafft eine große Lücke“, sagt Weymann. Die Steuererhöhung müsste komplett über die Preise weitergegeben werden. Ein Schnitzel mit Pommes, das in den Wendezeller Stuben zurzeit 15 Euro kostet, müsste dann gut zwei Euro teurer werden. Auch Weymann hat schon jetzt eine Zurückhaltung bei den Kunden wegen der hohen Lebenshaltungskosten beobachtet.
Viele Gastronomen hätten die Mehrwertsteuersenkung für Investitionen genutzt, erklärt Weymann. Die Erhöhung der Tariflöhne sei nötig gewesen, um das Niveau in der Gastronomie dem anderer Branchen anzugleichen.
Von einem Teufelskreis spricht Radhouane Alaya, Inhaber des Peiner Schützenhauses. Die Kosten für Personal und Energie seien hoch, dazu komme die Inflation. „Wenn die Mehrwertsteuer erhöht wird, steigen die Kosten für uns erneut und somit auch die Preise“, erklärt Alaya. „Das kann nur schwer abgepuffert werden und muss weitergegeben werden.“ Die Kunden würden sich bereits zurückhalten. Alaya bezweifelt, dass alle dazu bereit wären, die höheren Preise zu bezahlen.
Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer würde zudem für Verwirrung und Unverständnis in der Bevölkerung sorgen. „Dann hätten wir wieder ein steuerliches Wirrwarr im Lebensmittelbereich, bei dem die Gastronomie deutlich benachteiligt wird.“ Dagegen wolle sich die Dehoga entschieden zur Wehr setzen. „Wir kämpfen seit 20 Jahren für eine dauerhafte Absenkung auf sieben Prozent.“ Daher werde es Aktionen geben, mit denen die Dehoga sich für eine Entfristung der Mehrwertsteuersenkung stark macht.
Die Gleichbehandlung der Gastronomie mit dem Lebensmitteleinzelhandel und dem Lebensmittelhandwerk und die Anwendung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes von sieben statt 19 Prozent auf alle Speisen, fordert auch Weymann. Beim Außer-Haus-Verkauf, Liefer- und Bringdiensten würden auch nur sieben Prozent Mehrwertsteuer erhoben.
Ein weiteres großes Problem sei der Fachkräftemangel, von dem die Gastronomie stark betroffen sei. „Viele Ausbildungsplätze im gastronomischen Bereich sind noch unbesetzt“, so Kowohl. „Es gibt zu wenig Personal und eine zu hohe Nachfrage.“ Viele Betriebe hätten bereits Maßnahmen ergriffen, um den Mangel an Fachpersonal zu kompensieren. „Viele Betriebe haben zusätzliche Ruhetage eingeführt, damit sie mit dem vorhandenen Personal die lukrativsten Zeiten sicher abdecken können. „Andere Betriebe sind von einem Zwei-Schichten-Modell auf ein Ein-Schicht-Modell umgestiegen und mussten daher die Öffnungszeiten reduzieren“, so Kowohl. Wieder andere hätten die Speisekarte reduziert, um die Abläufe zu vereinfachen.
„Wir stehen vor großen Umbrüchen in der Gastronomie“, bilanziert Kowohl. Seiner Einschätzung nach könne es durchaus möglich sein, dass spontane Restaurantbesuche vielerorts kaum noch möglich sein werden. „Dann geht es nur noch mit Reservierung, damit sich die Betriebe darauf einstellen können.“ Ferner könne er sich eine Regelung vorstellen, bei der bereits getätigte Reservierungen mit einer Pauschale einhergehen, falls die Gäste nicht erscheinen sollten. „Denn der Gastwirt hat ja schließlich Personal und Ware vorgehalten und die Plätze im Lokal bleiben dann leer“, so Kowohl. „Es sollte nicht angehen, dass die Wirtsleute auf solchen Kosten sitzenbleiben.“
Derzeit liegt die Mehrwertsteuer in der Gastronomie noch bei sieben Prozent – eine Ausnahmeregel, mit der die Große Koalition in der Corona-Krise die Gastronomen entlasten wollte. Dass die Ausnahmeregel, von der Getränke übrigens ausgenommen sind, noch bis heute gilt, liegt an der Energiekrise durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Die Ampel verlängerte die Maßnahme, allerdings vorerst nur bis zum Ende des Jahres. Ab Januar könnte Essengehen im Restaurant dann deutlich teurer werden.