Die Geschäftsräume sind nach Informationen der PAZ seit Dienstag, 10. Oktober, geschlossen. Hinter der Eingangstür stapelt sich die Post, das Telefon läuft ins Leere. Der Geschäftsführer ist weder für Kunden noch für Geschäftspartner oder die PAZ zu erreichen, sein Wohnhaus in der Nachbarschaft scheint verwaist, die Rollläden sind geschlossen.
Nach Angaben der Betroffenen geht es um sehr viel Geld: Die Rede ist von Summen zwischen 500 und 28.000 Euro, die für den Kauf von Küchen angezahlt wurden. Die Geschädigten kommen aus der gesamten Region, zum Beispiel aus Peine, Goslar, Wolfenbüttel, Braunschweig und Salzgitter. Die Sprecherin der zuständigen Polizei-Inspektion Salzgitter/Peine/Wolfenbüttel, Carolin Spilker, bestätigt auf Anfrage, dass mehrere Betrugsanzeigen vorliegen. „Diese werden zentral vom zuständigen Fachkommissariat für Betrugsangelegenheiten in Salzgitter bearbeitet“, sagt sie.
„Ich habe Anfang dieses Jahres eine Küche bestellt und bereits 15.000 Euro von insgesamt 17.000 Euro bezahlt“, sagt Florian Berkhoff aus Woltorf. Er sei bereits bei der Polizei gewesen und habe Strafanzeige gestellt. „Als Nächstes werde ich mich anwaltlich beraten lassen“, sagt er. Einige Küchenmöbel stünden bereits, aber die Elektrogeräte fehlten noch. „Außerdem ist die Mängelliste sehr lang“, so der Woltorfer. Schränke seien falsch montiert worden, Schrankbeleuchtungen würden fehlen, Änderungswünsche seien nicht umgesetzt worden. „Insgesamt wurde unkorrekt und schlampig gearbeitet“, moniert er. Er sei verzweifelt, frustriert, resigniert und wütend, fasst er seine Gefühlslage zusammen.
Im Juni habe Sabri Akdil eine Küche für 14.000 Euro in Auftrag gegeben und dafür 7.000 Euro angezahlt, sagt er. Für die restlichen 7.000 Euro sei eine Null-Prozent-Finanzierung direkt über das Möbelhaus vereinbart worden – angeblich als besonderes Angebot. Der Vallstedter berichtet von einem Telefonat der Beraterin mit der finanzierenden Bank, das sich im Nachhinein als Täuschung herausgestellt habe: Null-Prozent-Finanzierungen seien Kunden generell angeboten worden. Die 7.000 finanzierten Euro seien dem Möbelhaus bereits ausgezahlt worden, eine Klausel im Vertrag sehe das vor. „Laut Vertrag sollte die Küche Ende August ausgeliefert werden“, berichtet der Vallstedter. „Tatsächlich haben wir jetzt nichts, und meine hochschwangere Frau und ich müssen zusehen, wo wir eine Küche herbekommen und woher wir das Geld dafür nehmen“, sagt Akdil.
Familie Oppermann aus Wendeburg hat am 1. April 2022 eine neue Küche bestellt. „Inzwischen sind wir in unseren Neubau gezogen und warten seit einem Monat auf die Küche, die uns schon Ende August versprochen wurde. Wir leben jetzt mit unserem zwei Wochen alten Sohn in einem Haus ohne Küche. Das ist echt bescheiden“, sagt Marco Oppermann. „Wir haben 8.800 Euro angezahlt und nach Aufmaß noch einmal 4.000 Euro überwiesen. Im Endeffekt ist jetzt nur noch eine kleine Restsumme übrig. Das tut weh. Jetzt sind wir in der Schwebe, denn wir wissen nicht, ob wir eine zweite Küche bestellen sollten und wie wir nun weiter vorgehen“, beschreibt der junge Vater seine Situation. Künftig werde er bei einem großen Anbieter bestellen. „Wir wollten ein kleines Familienunternehmen hier unterstützen, aber scheinbar war das nicht der richtige Weg“, bedauert er die Entscheidung, die aufgrund von Empfehlungen aus dem privaten Umfeld gefallen sei. Er habe wegen der Lieferverzögerungen Kontakt zu Angestellten gehabt, und es seien immer wieder andere Geschichten erzählt worden, warum die Küche nicht ausgeliefert wird.
Auch Ali Kizilay aus dem Braunschweiger Stadtteil Lehndorf gehört zu den Geschädigten. „Wir haben vor etwa eineinhalb Jahren für unseren Neubau eine Küche für 28.000 Euro bestellt und schon 26.000 Euro angezahlt. Einen Teil der Küche haben wir zwar bekommen, es fehlen aber noch die Elektrogeräte“, stellt er seinen Fall dar. Das sei für die Familie eine enorme Belastung. Als Begründung seien ihm Lieferengpässe wegen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges genannt worden. „Das Möbelhaus hatte eigentlich einen guten Ruf, Bekannte von uns haben positive Erfahrungen gemacht und es weiterempfohlen“, sagt er. Es gebe Gerüchte, dass der Inhaber psychische Probleme habe. „Wenn das so sein sollte, wünsche ich ihm gute Besserung. Aber ich wüsste sehr gern, was eigentlich los ist und ob man die Angelegenheit vielleicht später noch regeln kann. Deshalb habe ich auch bislang keine Strafanzeige gestellt“, erklärt Kizilay. Nun müsse er die Geräte woanders kaufen, Geld dafür habe er allerdings nicht.
Ein anderer Betroffener ist Bernhard Hessel aus Salzgitter. „Ich habe vor etwa anderthalb Jahren für vier im Bau befindliche Wohneinheiten die Küchen bestellt. Vor etwa eineinhalb Wochen hat meine Tochter angemahnt, dass die erste Küche geliefert werden soll, passiert ist aber nichts“, sagt er. Bei der Bestellung habe er 28.000 Euro angezahlt. „Ich wollte das eigentlich nicht und hatte kein gutes Gefühl dabei, man hat mich aber – auch seitens des Architekten – dahin gehend beraten, dass das heutzutage üblich sei“, berichtet Hessel.
Er sieht die Vorauszahlungspraxis von Bauleistungen aus Sicht der Verbraucher skeptisch. Er habe Strafanzeige gestellt und müsse sich nun anderweitig umschauen. Seine Mieter wollen eigentlich Anfang des nächsten Jahres einziehen. Die laut Mietvertrag vereinbarte Küche würden sie dann aber aller Voraussicht nach noch nicht nutzen können.
Die Mutter von Dilara Kocabiyik aus Langelsheim (Kreis Goslar) habe eine Küche im Wert von 15.000 Euro bestellt. „Das Geld habe sie über Jahre hinweg angespart, im November 2022 hat sie es im Voraus komplett bezahlt“, sagt deren Tochter. Geliefert worden seien nur Teile der Küche, auch in diesem Fall fehlten sämtliche Elektrogeräte. „Seit April oder Mai wird meine Mutter immer wieder vertröstet“, berichtet Kocabiyik. Eine Anzeige bei der Polizei sei gestellt worden.
Mehrere der Geschädigten haben sich beim Rechtsanwalt Erik Wilhelmus aus Salzgitter gemeldet und ihn um Vertretung ihrer Interessen gebeten. „Das Spektrum ist groß: Es gibt Fälle, in denen Geld geflossen ist, ohne dass die entsprechende Küche überhaupt in Auftrag gegeben wurde. Andere Kunden kritisieren, dass die gelieferte Küche nicht vollständig oder nicht korrekt sei“, macht Wilhelmus deutlich. Er rät Betroffenen, unbedingt eine Strafanzeige zu stellen, um Ansprüche geltend machen zu können.