Dispozinsen klettern immer weiter. „Das Tempo ist rasant: Seit Ende 2022 sind sie im Schnitt um mehr als zwei Prozentpunkte gestiegen“, berichtet Heike Nicodemus von der Zeitschrift „Finanztest“ der Stiftung Warentest. „Viele Kreditinstitute haben zum 1. Oktober noch mal nachgelegt.“ Im Schnitt liegen die Zinsen, die Geldhäuser für die geduldete Überziehung des Girokontos verlangen, demnach inzwischen bei etwa 12 Prozent (Stand: 6. Oktober). Ende 2022 waren es bei 176 ausgewerteten Banken und Sparkassen im Schnitt noch 9,94 Prozent. Wer ein Girokonto hat, kann es mit Zustimmung der Bank in der Regel bis zu einer festgelegten Summe überziehen. Die Höhe des gewährten Kreditrahmens hängt vom Einkommen sowie von der Kreditwürdigkeit der Kundin oder des Kunden ab. Meist sind es zwei bis drei Monatsgehälter. Abgebucht werden die Zinsen in der Regel am Ende eines Monats oder zum Quartalsschluss.
„Die Banken bieten eine Dienstleistung, dafür verlangen sie Geld. Der rasante Anstieg der Dispozinsen ist in erster Linie den Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank geschuldet“, berichtet Nicodemus. Die Euro-Währungshüter stemmen sich mit einer Serie von zehn Zinserhöhungen seit Juli 2022 gegen die Teuerung. In Zeiten gestiegener Preise dürften Dispokredite an Beliebtheit gewinnen. Etwa jeder sechste Deutsche kann nach eigenen Angaben wegen der hohen Teuerung kaum seine Lebenshaltungskosten bezahlen. 17,2 Prozent von 2059 Befragten wählten in einer Umfrage für die Postbank diese Antwortmöglichkeit auf die Frage, wie sie die Preissteigerungen wahrnehmen.
Doch ein Dispo kann teuer werden. „Ein häufig in Anspruch genommener Dispokredit kann zu einer finanziellen Abwärtsspirale führen“, warnt Nicodemus. Der Dispozins ist an ein Referenzzinssystem gekoppelt. Ein üblicher Referenzzins ist der Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB), teilweise auch der Dreimonatseuribor. Er geht bei steigenden Zinsen zeitversetzt nach oben. „Banken müssten die Erhöhung nicht umsetzen, aber sie können es. Wir haben festgestellt, dass Kreditinstitute im Schnitt relativ schnell die Zinsen erhöhen. Beim Senken ging es dagegen nicht ganz so schnell“, sagt Nicodemus. Auch die FMH-Finanzberatung stellt einen deutlichen Anstieg fest. Demnach müssen Verbraucherinnen und Verbraucher im Mittel 11,89 Prozent Zinsen für einen Dispokredit zahlen (Stand: 6. Oktober). Die Spanne bei 80 untersuchten Geldhäusern reicht von 3,62 bis 15,49 Prozent.
Zuletzt sprachen sich die Verbraucherschutzminister der Länder im Sommer für eine Obergrenze für Dispozinsen aus. Ein entsprechender Prüfauftrag gehe an die Bundesregierung, sagte Schleswig-Holsteins Verbraucherschutzminister Werner Schwarz (CDU). Die Ministerinnen und Minister halten einen Rahmen von 5 bis 8 Prozent als Obergrenze für angemessen. Das Bundesjustizministerium verwies auf die neue EU-Verbraucherkreditrichtlinie, die Verbraucher bei der Aufnahme von Krediten besser schützen soll. „Solange nicht abschließend geklärt ist, welcher Änderungsbedarf aus der EU-Richtlinie für das deutsche Recht folgt, hält das Bundesministerium der Justiz ein auf Änderung des Verbraucherkreditrechts gerichtetes Gesetzgebungsvorhaben nicht für sinnvoll“, sagte ein Ministeriumssprecher. Banken und Sparkassen lehnen staatliche Eingriffe ab. Gerade Verbraucher profitierten davon, dass der deutsche Bankenmarkt einer der wettbewerbsintensivsten in Europa sei, erklärte die Deutsche Kreditwirtschaft auf Anfrage.
Mit bis zu 10 Prozent ist ein Dispozins aus Sicht der Stiftung Warentest vergleichsweise günstig. Das gilt den Angaben zufolge derzeit für knapp 20 Prozent von 460 ausgewerteten Kontomodellen. „Teuer ist alles ab 13 Prozent insbesondere für Menschen, die sehr häufig den Dispo in Anspruch nehmen“, sagt Nicodemus. Insgesamt reicht die Spanne von 3,54 bis 15,57 Prozent.