Das Strafbefehlsverfahren soll es leichter machen, leichte Kriminalität zu bewältigen. Es kann bei einem hinreichenden Tatverdacht zu einer rechtskräftigen Verurteilung ohne mündliche Hauptverhandlung kommen und soll die Behörden entlasten. Für die Beschuldigten liegt der Vorteil darin, dass das Verfahren kostensparend, schnell und ohne Aufsehen erledigt wird.
Im vorliegenden Fall sollte der Angeklagte eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen je 30 Euro, insgesamt also 1.200 Euro, bezahlen und seinen Führerschein für zwölf Monate abgeben. Der Vorwurf: Der Angeklagte war am 27. Juli 2022 gegen kurz nach 13 Uhr zusammen mit seinem kranken Sohn in einem Skoda Fabia auf der A 2 in Richtung Lehrte unterwegs. Im Bereich Peine soll er ein anderes Auto verkehrswidrig rechts überholt haben. Dabei scherte er mit dem Skoda sehr knapp vor dem überholten Fahrzeug ein. Die Abstandsschätzungen der Beteiligten gingen von 50 Zentimetern bis 5 Meter recht weit auseinander – wobei selbst 5 Meter Abstand nicht ausreichend wären. Nach Angaben des Zeugen konnte ein Unfall nur durch sein sofortiges Bremsen verhindert werden.
„Ich hatte meinen Sohn abgeholt. Wir haben uns beide sehr erschrocken“, erklärte der Zeuge im Gericht und führte weiter aus: „Wir sind hinterhergefahren, um festzustellen wer das war.“ Leider gab es während der Zeugenanhörung einige Erinnerungslücken, die dem Gericht eine sichere Klärung zusätzlich erschwerten.
Die Staatsanwältin sah die Anklagepunkte als weitgehend bestätigt an. Die Aussagen der Zeugen waren aus ihrer Sicht glaubwürdig und ohne Belastungstendenzen. Als geeignete Strafe für das verbotene Überholen auf der rechten Seite forderte sie in ihrem Plädoyer eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen je 30 Euro, gesamt 1.500 Euro.
Das sah der Verteidiger völlig anders. „Mein Mandant kann sich an einen derartigen Vorfall nicht erinnern. Daher zweifele ich die erhobenen Vorwürfe an“, erklärte der Verteidiger und ergänzte: „Wenn überhaupt, dann kann es sich bei meinem Mandanten nur um ein Augenblicksversagen gehandelt haben.“ Dieser hält sich für einen routinierten, sicheren Autofahrer. „Den Führerschein möchte ich behalten, damit ich meinen inzwischen verstorbenen Sohn regelmäßig im Friedwald besuchen kann“, erklärte er.
Mit seinem Widerspruch hatte er Erfolg: Der Richter schloss sich im Urteil dem Antrag der Staatsanwältin vollumfänglich an, der Führerscheinentzug ist also vom Tisch. Zusätzlich hat der Angeklagte die anfallenden Verfahrenskosten zu tragen. „Das war eine rücksichtslose Verkehrsgefährdung, die sie sich da erlaubt haben“, gab der Richter dem Angeklagten mit auf den Weg. Gegen das Urteil kann innerhalb einer Woche Revision beantragt werden.