Süße Schokoriegel, die kurz vor der Supermarktkasse noch für eine Versuchung auf den letzten Metern sorgen? Geht es nach einer Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher, sollte das nicht so sein. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Marktforschungsinstituts Kantar, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt. Demnach sind 74 Prozent der Befragten gegen die Platzierung von Süßwaren an der Supermarktkasse. 76 Prozent sprachen sich zudem gegen Alkohol im Kassenbereich aus. Laut der vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (Dank) in Auftrag gegebenen Umfrage sind 61 Prozent der Befragten zudem gegen Tabakwaren im Kassenbereich. Bei ehemaligen Raucherinnen und Rauchern ist die Quote mit 72 Prozent sogar noch höher.
„Die Kassenzone verführt gezielt zum Spontankauf“, sagt Katrin Schaller, kommissarische Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention am DKFZ. „Die Platzierung der Süßwaren auf Augenhöhe der Kinder im Quengelbereich provoziert bewusst Familienstreit, um den Absatz von Süßwaren anzukurbeln“, kritisiert sie. „Alkohol und Tabak an der Kasse machen es Menschen mit Suchterkrankungen schwer, abstinent zu bleiben. Der Gesetzgeber muss dieser Verkaufspraxis einen Riegel vorschieben“, findet Schaller.
Pläne dafür gibt es sogar schon länger. 2015 hatten die beiden Koalitionsparteien CDU und SPD einen Antrag eingebracht, wonach Supermärkte „quengelfreie“ Kassen anbieten sollten, die Kinder nicht mehr so stark zum Kauf von Süßigkeiten verführen. Bisher ist es bei diesem Antrag allerdings geblieben.
Währenddessen hat der Lebensmitteleinzelhandel eigene Modelle ausprobiert. Der Discounter Lidl beispielsweise teilte auf RND-Anfrage mit, dass man sich an den Wünschen der Kunden orientiere und regelmäßig prüfe, wie man das Angebot verbessern und anpassen könne. Dazu zählten auch sogenannte „gesunde Kassen“. Der ebenfalls zur Schwarz-Gruppe gehörende Anbieter Kaufland hingegen verfügt derzeit über keine süßwarenfreien Kassen, heißt es auf Anfrage.
DKFZ und Dank verweisen in ihrer Mitteilung darauf, dass in den Niederlanden von 2024 an in Supermärkten keine Tabakwaren mehr verkauft werden dürfen. In Großbritannien sei es seit 2022 verboten, Süßigkeiten oder ungesunde Snacks an der Kasse oder im Eingangsbereich zu platzieren. Das Kölner Handelsforschungsinstitut EHI hat in einer Untersuchung von 2017 festgestellt, dass der Kassenbereich in Supermärkten zwar nur etwa 1,5 Prozent der Fläche ausmacht, dort aber ein Umsatzanteil von etwa 5 Prozent erwirtschaftet wird – größtenteils wegen des Tabaks.
Diese rund 5 Prozent schätzt das EHI auch heute noch als realistisch ein. Handelsexperte Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg verweist auf die Gewinnspanne der sogenannten Quengelware: „Das sind Artikel, die einen etwas höheren Ertrag erwirtschaften“, sagt Roeb dem RND.
DKFZ und Dank sehen die Ampelkoalition in der Pflicht gegenzusteuern. Sie verweisen auf einen Beitrag von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf X (ehemals Twitter). Zu einem Foto von kleinen Alkoholflaschen in einer Kassenzone schrieb er: „Über diese Art Regale an der Supermarktkasse muss gesprochen werden. Hier werden Menschen mit Alkoholkrankheit gezielt gefährdet“, so der Minister. Das sei eine „unethische Form“ der Werbung.
„Auf diese Worte sollten nun auch Taten folgen“, so Dank-Sprecherin Barbara Bitzer. „Eine gemeinsame Initiative des Bundesgesundheits- und des Bundesernährungsministeriums ist überfällig. Andere Länder machen es längst vor.“