Das sprach Bände: Als Marktmeister Thomas Meinecke und Martin Ohlendorf, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung, mit einem Präsentkorb zu Döring kommen, um ihm für all die Jahre in Gifhorn zu danken, stehen Menschentrauben an dem Stand in Höhe „Wiertz Genussvoll“, begutachten Clementinen, Zwetschgen, Gemüse und Co. – und horchen auf. „Was, hier ist bald Schluss?“, fragen einige entsetzt und vergessen beinahe ihren Einkauf. „Nein, es geht weiter“, sagt Gifhorns Marktmeister, und deutet auf Daniela Wegner, die nicht zufällig von ihrem „Eier-Taxi“ herüber gekommen ist und mit Kundschaft bedient.
Wie das so unter Nachbarn ist, habe man sich vor einiger Zeit darüber unterhalten, dass Döring in den Ruhestand gehen möchte. „Sowas kann man doch nicht aufgeben, habe ich gesagt“, sagt Daniela Wegner energisch. Und so kam sie zu dem Entschluss, dass das „magische Dreieck“ aus Eier-Taxi, Café und Obst- und Gemüsestand erhalten bleiben muss. Selbst ist die Frau – und vor allem voller Energie. Die ersten nächtlichen Touren zum Großmarkt in Hamburg hat die Bergfelderin schon mit absolviert.
Auf dem Großmarkt gebe es eben eigene Gesetze, verrät Döring. Und so weiht er nun nach und nach Daniela Wegner in die Geheimnisse des Einkaufs dort ein. Etwa, dass er selbst all die Jahre stets nur mit vier Großhändlern Geschäfte machte. Und: „Ich nehme jeden Artikel vorher in die Hand“, sagt der gebürtige Berliner stolz. „Der Großmarkt ist eine Welt für sich, da geht es auch einmal rauer zu.“ Wer über Preise verhandeln möchte, müsse sich schon mal ein schroffes „Sei froh, dass Du überhaupt was bekommst“ anhören. Selbst die Wetter-Prognose werde beim Einkauf mit einkalkuliert, weiß Daniela Wegner inzwischen.
Eine Stammkundin lauscht den Erzählungen. „Sie machen das hier weiter? Dann kann ich wieder beruhigt schlafen“, sagt sie freudestrahlend. Auch vom Wirtschaftsförderer gibt es allerhöchstes Lob: „Wie eine Nachbarin den Fortbestand des Angebots hier sichert, ist eine Erfolgsstory.“ Ein Erfolg, der nach Dörings Prognose in Gifhorn so weitergehen wird. Mittwochs und samstags baute er hier seit seit 34 Jahren bei Wind und Wetter Kartoffeln und Co. auf. „Der Markt hat ein gutes Sortiment, die Qualität ist gut.“
Genau deshalb kommt Friedhelm Lausch regelmäßig aus Neudorf-Platendorf zum Stand von Döring. Die Qualität von Obst und Gemüse sei einfach gut. Gratis dazu gibt es stets Kostproben und nützliches Wissen. Dass die zuletzt gekauften Apfelsinen gar nicht gut zu schälen waren, kann Verkäuferin Sabine Baumgarten rasch aufklären. „Die Zeit der schälbaren Apfelsinen kommt erst noch. Im Moment gibt es nur Saftapfelsinen.“ Lausch nickt erstaunt: „Ach so.“ Würde es solch einen Service im Supermarkt geben? „Nein“, sagt er kopfschüttelnd. Dass er nun mit seiner Frau weiter an gewohnter Stelle Obst und Gemüse einkaufen gehen kann, freut ihn sehr. So eine Kundentreue wie auf dem Wochenmarkt gebe es selten, weiß Döring.
1989 habe er „einfach einen Stand in der Region“ gesucht. Zufällig wurde er in Gifhorn fündig – und blieb 34 Jahre lang. Der Standort in der Fußgängerzone habe ihm stets Freude gemacht, so der Peiner, der mit seinen 72 Jahren nun nicht einfach die Füße hochlegen will. Hobbys habe er reichlich: Schach, Angeln und seine geliebte Hertha BSC zählt er auf. Und für eines hat er immer Zeit: „Zum Gifhorner Wochenmarkt komme ich immer wieder – mit Sicherheit werde ich mein Obst und Gemüse genau hier kaufen.“ Dann aber als Kunde bei der Nachbarin, die die drohende Lücke auf dem Wochenmarkt verhindert hat.
Gifhorns Marktmeister freut es. Denn in diesen Zeiten werde es immer schwieriger, neue Beschicker zu bekommen. „Vielen fehlt einfach das Personal“, weiß er. Dass es nun diese Lösung in Gifhorn gab, macht ihn froh. „Wenn wir jetzt noch insgesamt das Sortiment mit Käse oder Spezialitäten wie Schokolade erweitern könnten, wäre das noch besser“, sagt Meinecke.