Seit drei Jahren steigt die Population der Vögel im Landkreis Peine: „2020 und 2021 waren sehr starke Jahrgänge, viele dieser Störche sind jetzt im brutfähigen Alter und suchen nach Nistplätzen“, sagt Baumgart. Er freut sich über die aktuelle Entwicklung: „Es war ein sehr gutes Jahr im Landkreis Peine“.
Durch die im Vergleich zum vergangenen Jahr elf Horstpaare mehr ist auch die Anzahl der Storchen-Kinder auf einem Rekordhoch: „86 Jungtiere wurden in diesem Jahr geboren – das ist der höchste Wert in Peine jemals“, erklärt Baumgart. Das Gute an der Situation: „Der Storch wird von vielen Menschen immer noch sehr, sehr gerne gesehen“.
Die meisten Störche schlüpften in den Ortschaften Wendeburg, Wendezelle und Zweidorf. Hier gibt es 18 Nester der Zugvögel. Bei der hohen Anzahl im Peiner Land insgesamt spricht Baumgart auch eine Warnung aus: „Die Grenze ist jetzt bald erreicht. Wenn die Vögel eigene Nester in den Bäumen bauen, ist das in Ordnung, aber wir müssen darauf achten, dass es nicht zu viele auf den Dächern werden“. Der Hintergrund: Die Vögel holen sich vermehrt Nahrung von den Mülldeponien: „Im Glauben, dass es Würmer oder andere Tiere sind, bringen die Störche vermehrt Schläuche und anderes Gummi mit in die Nester. Das ist sehr gefährlich“, sagt der Experte, der daher auch Nisthilfen anbieten musste: „Es gab Dächer, die mit dem ganzen Gummi übersät waren.“
Zur Jahreshälfte kam immer wieder das Gerücht auf, es gäbe schwarze Störche im Landkreis Peine. Allerdings war das eine Fehlinterpretation: „Bei der Ringablesung stellten wir uns vermehrt die Frage, warum die Störche so schwarz sind“, sagt Baumgart. Die Aufklärung sorgte für einen Schrecken beim Storchenbeauftragten: „Das Gefieder war voller Ruß. Die Störche haben auf der Mülldeponie in Watenbüttel vermehrt nach Futter gesucht“. Auf dem Gelände des Abfallentsorgers Alba kam es im April und Juni zu zwei Bränden. Gefährliche Auswirkungen auf die Gesundheit hatte der Ruß an den Federn nicht: „Der Stichtag für die Brut ist der 20. Mai. Zum Zeitpunkt der Brände war der Großteil der Jungtiere bereits ausgeflogen und auch jetzt sind die meisten Störche wieder weiß“, versichert Baumgart.
Bedauerlicherweise gab es auch Todesfälle in diesem Jahr: „Mehrere Störche hatten sich an Hochspannungsleitungen verletzt und mussten in Leiferde im Nabu-Artenschutzzentrum eingeschläfert werden“, erklärt der Peiner Experte.
Danny Baumgart kennt sich nicht nur gut mit den Tieren aus, er hat auch ein eigenes Storchennest auf dem Dach. „Leider lief es hier nicht so gut, wie in den anderen Nestern im Landkreis“, erzählt er. Nachdem die Störche zunächst länger ausgeflogen waren, hatte er die Hoffnung auf Jungtiere bereits aufgegeben: „Doch dann hörte ich ein Klappern auf dem Dach“. Ein jüngeres Storchenpaar hatte es sich im Nest bequem gemacht und sogar Eier gelegt. „Leider ist es mit der Brutablösung des Männchens nicht ideal gelaufen. Nach seiner Rückkehr waren die Jungtiere geschlüpft, aber der Storch hat sie aus dem Nest geworfen. Das ist ein Zeichen dafür, dass der Vogel noch sehr jung ist und wenig Erfahrung hat“, erklärt Baumgart.
Auf das erste Jahr in seiner neuen Funktion als Peiner Storchenbeauftragter blickt der 39-Jährige positiv zurück. Zu Beginn des Jahres hatte er die Aufgaben von Georg Fiedler für den Landkreis Peine übernommen. „Es macht Spaß und ist eine super Sache, allerdings ist es fast schon ein Halbtagsjob. Es gibt viel zu tun“.
Ein wesentlicher Grund, warum es immer mehr Störche gibt, ist der Verzicht auf die weiten Flugreisen im Winter: „Ein Großteil der Störche, die bei uns brüten, fliegt nicht mehr über die Türkei und den Libanon nach Afrika, sondern über Spanien und Portugal“, sagt Baumgart. „Das ist viel weniger gefährlich. In Ländern auf der Ostroute werden die Tiere teilweise noch gejagt und in Osteuropa geraten sie häufig an ungesicherte Stromleitungen.“
Das Wetter sorgte in diesem Jahr für gute Bedingungen bei den Störchen. Denn starke Regenfälle im März hatten für länger anhaltende Feuchtigkeit im Boden gesorgt – und damit für eine gute Nahrungsverfügbarkeit. Regenwürmer und sonstige Kleintiere seien für die erste Aufzuchtphase der Jungtiere wichtig – und die habe es ausreichend gegeben. Auch der Bestand an Mäusen sei für die Vögel ausreichend gewesen. „Für Junge, die ab Mitte Mai schlüpften, waren aufgrund der langen Trockenheit zuvor die Voraussetzungen nicht mehr ganz so gut, aber immerhin noch zufriedenstellend“, berichtet Hans-Jürgen Behrmann von der Landesarbeitsgruppe Weißstorchschutz des NABU Niedersachsen.
Außerdem habe es zwischendurch zumindest lokal auch mal wieder kräftig geregnet. „Junge Erstbrüter-Paare und Spätbrüter waren allerdings manches Mal überfordert, so dass es gerade bei ihnen zu Brutabbrüchen kam“, erklärt Behrmann.
Nicht nur im Landkreis Peine, auch für Niedersachsen insgesamt fiel das Fazit der Storchenbeauftragten positiv aus: „Insgesamt war 2023 für die Weißstörche in Niedersachsen und Bremen ein gutes Jahr“, bilanziert Behrmann. Er betont: „Die Aussichten sind günstig, dass die positive Entwicklung der Storchenpopulation auch in den nächsten Jahren anhält.“
In Niedersachsen/Bremen ließen sich 2023 insgesamt 2.090 Weißstorchpaare nieder. Bei der ersten Zählung im Jahr 1907 waren es noch 4.500 Paare. Danach setzte ein ständiger Rückgang ein. „Der historische Tiefstand mit nur noch 217 Paaren wurde im Jahr 1988 erreicht. Anschließend begann ein Aufwärtstrend, der sich bis heute fortsetzt“, sagt Behrmann. Die 2.090 Storchenpaare in Niedersachsen/Bremen brachten 4.130 Junge zum Ausfliegen. Das entspricht einem Jungenschnitt von 1,98 pro Paar. Dieser liegt somit deutlich über dem Schnitt der zurückliegenden 25 Jahre.
Ein besonderes Storchenereignis gab es auch im Landkreis Uelzen: Ein Weißstorchmännchen und ein Schwarzstorchweibchen wurden ein Paar. „Zuvor hat das überhaupt noch nie in freier Natur stattgefunden“, weiß Behrens. Sie begannen zu brüten, im Mai schlüpften zwei Junge. „Trotz ihrer in manchem doch unterschiedlichen Lebensweisen gelang es den Eltern, die Jungen großzuziehen“, berichtet der Storchen-Betreuer. Besonders spannend: Die Gefieder waren gezeichnet aus einer Mischung beider Eltern. Das Männchen geriet nach der Schwarzstorchmutter, das Weibchen hatte ein meliertes Gefieder mit wesentlich mehr weißen Anteilen und kam somit eher nach dem Vater. Beide Jungstörche wurden beringt und flügge.