Der 41-jährige Solodovnikov lebt mit seiner Frau und seiner achtjährigen Tochter seit einem Jahr in Deutschland. Ihre Heimatstadt Kramatorsk liegt etwa 100 Kilometer nördlich von Donezk im östlichen Teil der Ukraine. „Die Stadt wurde regelmäßig bombardiert“, sagt der kräftige Mann mit ruhiger Stimme. Er spricht Deutsch, habe die Sprache zum Teil in der Schule gelernt. „Aber eher schlecht gelernt“, sagt er schmunzelnd. Zum Verständigen reiche es.
In der Ukraine führte die Familie um den 41-Jährigen ein Lebensmittelgeschäft. Brot, Milch, Wurst, Käse und alles, was es in einem kleinen Laden an Auswahl benötigt. „Unser Haus und der Mini-Markt wurden nicht zerstört, aber wir mussten fliehen“, sagt er und verweist auf seine Angehörigen: „Ich habe zwei Brüder, zwei Schwestern, meine Eltern. Alle sind noch in der Ukraine.“ Warum sie nicht auch fliehen, wisse er nicht genau. „Wir haben online Kontakt, ich denke jeden Tag an sie.“ Angesprochen auf Russlands Präsidenten Wladimir Putin weicht Solodovnikov ins Ukrainische ab und schimpft. Ukrainisch und russisch spricht er fließend.
Am 26. Oktober 2022 fliehen die drei Ukrainer über Nacht im Auto aus dem Kriegsgebiet. Bis zur polnischen Grenze sind es über 1.000 Kilometer. Sie wollen nur raus aus ihrem Heimatland. Eine Unterkunft finden sie unterwegs nicht: „Wir haben versucht, in Polen einen Schlafplatz zu bekommen, doch kein Hotel hatte ein Zimmer für uns. Also mussten wir im Auto schlafen“, erzählt Solodovnikov. Zwei Tage sind sie unterwegs. Das Ziel der Fahrt: Deutschland.
Am Ende kommen sie in Dedenhausen in der Region Hannover an. „In der Turnhalle konnten wir für einen Monat bleiben, seitdem wohnen wir in einer Wohnung“, sagt der 41-Jährige. Der frühere Lebensmittelhändler bekommt jetzt Geld vom Jobcenter. „Danke an Deutschland, dass sie uns aufgenommen haben“, sagt er. Sein nächstes Ziel ist ein neuer Job, egal in welchem Betrieb.
Die Verbindung der ukrainischen Familie aus Dedenhausen ins nahegelegende Plockhorst kam über eine Anzeige bei Ebay: „Ich brauchte Hilfe im Garten“, hieß es dort. „Auf die Anfrage hat sich dann Oleksiis Frau Anna gemeldet“, sagt Annabell Schliep. Trotz der angebotenen Hilfe von anderen Interessenten entschied sie sich für die Ukrainerin: „Es hat sofort gefunkt. Wir haben uns super verstanden“, erinnert sich die Plockhorsterin und führt aus, wie es zur Auswahl des Baums kam: „Ich habe Anna gefragt, welches Obst sie am liebsten hat, und es waren die Äpfel“.
Die Idee war entstanden. Nur der passende Termin fehlte. Mit dem Tag der Baum-Pflanzung am Samstag, 28. Oktober, sind die Solodovnikovs genau ein Jahr in Deutschland. „Einen besseren Moment hätte es nicht geben können“, findet Schliep. Die langjährige Plockhorsterin kannte den früheren Apfelbaum am Straßenrand, der eingegangen war. Schliep nahm die Dinge in die Hand: „Ich habe einfach bei der Gemeinde angefragt, ob ich dort etwas einpflanzen darf, ganz in Eigenregie.“
Solodovnikov steht mit gemischten Gefühlen vor dem Baum. „Ich bin glücklich in Deutschland und froh, hier zu sein, aber meine Gedanken sind auch in der Ukraine.“ Zum Einsetzen der Pflanze sind mehrere Plockhorster gekommen. Ortsbürgermeisterin Christine Malig richtet einige Worte an Schliep und Familie Solodovnikov: „Ich freue mich über das Symbol der Verbindung zwischen der Ukraine und Deutschland. Es kommt darauf an, wie stark die Wurzeln sind“, sagt Malig. Im Anschluss wird noch bei traditioneller ukrainischer Suppe gefeiert. Aus der Gartenunterstützung ist längst eine Freundschaft entstanden.