Erstmals geht die Bundesnetzagentur mit Bußgeldverfahren wegen Schwächen im Mobilfunk gegen Deutschlands Handynetzbetreiber Deutsche Telekom, Telefónica (O2) und Vodafone vor. Man habe dies „wegen schuldhafter nicht rechtzeitiger vollständiger Erfüllung der Versorgungsauflagen“ getan, heißt es in einem Schreiben der Behörde. Das Verfahren, das im September eröffnet wurde, war öffentlich bisher nicht bekannt. Die Firmen können nun Stellungnahmen abgeben. Entschieden wird im kommenden Jahr. In separaten, zeitgleich eingeleiteten Verfahren drohen den Unternehmen zudem sogenannte Zwangsgelder.
Die Netzbetreiber sind der Ansicht, nicht gegen die Ausbauauflagen verstoßen zu haben. Sie berufen sich auf eine Ausnahmeregel: Dort, wo der Ausbau aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht möglich war – etwa weil niemand ein Grundstück vermieten wollte, auf dem ein Funkmast aufgestellt werden kann –, gilt die Auflage auch ohne Netz als erfüllt. Allerdings ist die Netzagentur der Ansicht, dass diese Begründung in einigen Fällen nicht greift – und dass mancherorts eben doch Antennen hätten installiert werden können.
Es geht um 500 4G-Funklöcher, in denen keiner der drei Netzbetreiber einen Empfang von 100 Megabit pro Sekunde ermöglicht. Diese weißen Flecken hätten zum Jahreswechsel verschwunden sein müssen. Die Firmen schafften das aber nicht bei allen. Außerdem haben die Anbieter noch in einigen Bundesstraßentunneln kein gutes Netz, obwohl es vorgeschrieben ist – auch das ist Gegenstand der Verfahren. Branchenkreisen zufolge ist die Zahl der Verfehlungen sehr gering. Sollten am Ende Bußgelder verhängt werden, dürften diese entsprechend niedrig sein. Die Verfahrenseröffnung wird eher als Signal an die Branche verstanden, sich beim Ausbau mehr anzustrengen und Versorgungsauflagen lückenlos einzuhalten. In der Vergangenheit drückte die Netzagentur in ähnlichen Fällen ein Auge zu. So hielt keiner der drei Netzbetreiber Ausbaupflichten, die sich aus der Auktion 2015 ergaben, zum Jahresende 2019 ein. Bußgelder gab es damals nicht.
Telefónica hatte damals große Schwierigkeiten. Bei der Telekom und Vodafone waren es nur kleine Defizite. Zwar wurde gegen Telefónica im Jahr 2020 ein Zwangsgeldverfahren eingeleitet. Nachdem O2 arg verspätet ins Ziel kam, wurde das Verfahren aber eingestellt. Die Netzagentur ließ die Bußgeldkeule 2020 liegen, schwingt sie aber jetzt – obwohl die Verfehlungen damals viel größer waren als heute. Das könnte auch an Klaus Müller liegen, der früher Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen war und seit 2022 Präsident der Netzagentur ist. In seiner neuen Funktion setzt er sich weiter stark für Verbraucherbelange ein.
Es ist nicht das erste Bußgeldverfahren gegen Telekommunikationsanbieter, aber das erste gegen etablierte Netzbetreiber. Bereits seit dem Frühjahr geht die Netzagentur gegen den Neueinsteiger 1&1 vor, der gerade sein eigenes Mobilfunknetz aufbaut und dieses bald starten will. Hierfür ersteigerte 1&1 im Jahr 2019 erstmals Frequenzen. Ende 2022 hätte die Firma 1000 5G-Standorte aktiviert haben müssen. Tatsächlich waren es fünf. Der Ausgang des Verfahrens ist offen.
Für ihre Netze brauchen die Firmen Funkfrequenzen unterschiedlicher Bänder. Bei der Vergabe legt der Bund ein qualitatives Mindestniveau fest, auf das die Netze gebracht werden müssen. So mussten die Firmen in jedem Bundesland bis Ende vergangenen Jahres 98 Prozent der Haushalte mit mindestens 100 Megabit pro Sekunde versorgen. Diesen zentralen Teil des Auflagenkatalogs erfüllten die Telekom, Vodafone und O2. Zudem gab es noch Auflagen für Verkehrswege und besagte weiße Flecken – hierbei legten die Unternehmen nach Überzeugung der Netzagentur Schwächen an den Tag. Genaue Zahlen, wie viele weiße Flecken und Tunnel als unversorgt gelten, sind nicht bekannt. Ein Sprecher der Netzagentur wollte sich nicht zum Thema Bußgeldverfahren äußern. Auch die Firmen gaben auf Nachfrage keine Zahlen bekannt.