Jörg Wegner hätte es eigentlich nicht besser treffen können. Er steigt zu Hause in Barleben nördlich von Magdeburg in die Regionalbahn 36 nach Wolfsburg ein, die den VW-Beschäftigten praktisch vor dessen Arbeitgeber aus dem Triebwagen entlässt. 18 Jahre lang sei er mit dem Auto gefahren. „Das macht keinen Spaß.“ Zunächst holte er sich ein Jobticket, nun ist er mit dem Deutschland-Ticket unterwegs. Allerdings nicht mehr mit Spaß.
„Es hat die erste Zeit prima hingehauen“, sagt Wegner über die Erfahrungen als Bahnpendler. Doch inzwischen häufen sich Verspätungen und ganze Zugausfälle. Seit Herbst listet er die Ärgernisse auf. Ganz oft stehen in seiner Liste 25 Minuten, dreimal „Zug ausgefallen“ und einmal sogar „Ziel nicht erreicht“. „Heute ist wieder alles ausgefallen“, berichtet er der Redaktion.
Abellio-Sprecher Dr. Stefan Dietrich nennt mehrere Gründe, warum es gerade jetzt oft hakt. So seien die Regionalbahnen von Wolfsburg nach Magdeburg und auch Stendal von den GDL-Warnstreiks betroffen gewesen, weil die Stellwerke nicht besetzt waren. Neben technischen Gründen wie Störungen an der Infrastruktur oder den Zügen komme es gegenwärtig im betroffenen Dieselnetz Sachsen-Anhalt zu vermehrten Zugausfällen wegen fehlenden Personals oder Materials. „Der Grund liegt in jahreszeitlich bedingten hohen Krankenständen, und zwar nicht nur bei Abellio, sondern auch bei dem mit der Instandhaltung der Züge beauftragten Unternehmen. Dadurch fehlen nicht nur Triebfahrzeugführer, sondern auch Fahrzeuge.“
Abellio bemühe sich, mit Aus- und Weiterbildung die eigene personelle Lage zu stabilisieren – was angesichts des Fachkräftemangels schwierig sei. Auf die Infrastruktur habe man keinen Einfluss. Ähnlich klingt das bei Metronom, wenn das Unternehmen über die Probleme auf der Erixx-Strecke zwischen Braunschweig, Gifhorn und Uelzen Rede und Antwort steht. Man habe ebenfalls Probleme, Personal zu finden – obwohl man jetzt mit der GDL erfolgreich einen Tarifabschluss vereinbart habe. Für die Februar- und März-Starttermine im eigenen Trainingszentrum in Uelzen gebe es noch freie Plätze. „Hinzu kommen Netz- oder Fahrzeugprobleme“, so Sprecherin Michelle Kränzlein.
Das wurde zuletzt deutlich beim Einfrieren von Weichen in Wahrenholz und am Bahnhof Gifhorn Stadt Anfang Dezember. Die Verspätungen verschärfen sich dann noch, weil auf der eingleisigen Strecke jeder Zug auf den entgegenkommenden Zug warten muss.
Entspannter sei die Lage beim Enno, der die Regionalexpresse 30 von Wolfsburg über Gifhorn nach Hannover und 50 von Wolfsburg über Braunschweig und Lengede-Broistedt nach Hildesheim bedient. Da kann Kränzlein für 2023 zu 90 Prozent pünktliche Züge vermelden. Die Verspätungen auf den Strecken seien meistens auf Baustellen zurückzuführen gewesen
. Die Westfalenbahn, die mit den Regionalexpressen 60 und 70 von Braunschweig über Peine nach Bielefeld, beziehungsweise Rheine fährt, führt die meisten der vereinzelten Verspätungen in jüngster Zeit auf Störungen in der Infrastruktur sowie Zugfolgen zurück. Sprecherin Xenia Depner: „Um Pünktlichkeiten zu verbessern, suchen wir den Austausch mit dem Infrastrukturbetreiber DB Netz AG.“
„Der Regionalverband Großraum Braunschweig nimmt die Verspätungen mit Sorge zur Kenntnis“, sagt Sprecherin Gisela Noske. Sie nennt ebenfalls vielerlei Gründe: technische, witterungsbedingte oder personelle. „Das wird sich nicht ohne Weiteres abstellen lassen“, räumt sie ein. „Alle Verkehrsunternehmen arbeiten daran.“ Nehme es überhand, könne der Regionalverband als Auftraggeber Strafzahlungen verhängen. Solche brummte die Landesnahverkehrsbehörde neulich Metronom auf wegen dessen Ersatzfahrplan aufgrund von Personalproblemen auf anderen Strecken, etwa zwischen Hamburg und Hannover. Jörg Wegner ärgert sich derweil weiter, so wie immer mehr andere Fahrgäste im Abellio auch. „Zu Jobticket-Zeiten war es lange nicht so voll“, sieht er durchaus echtes Potenzial für eine Verkehrswende in Richtung Bahn seit dem Deutschland-Ticket. Und auch er will nicht zurück zum Auto, denn damit von Barleben nach Wolfsburg zu pendeln sei auch kein Vergnügen. „Ich würde schon gern bei der Bahn bleiben.“