Der Streit zwischen der Ausländerbehörde des Landkreises Peine und dem Mann dauert bereits seit Jahren an. Zuletzt wurde ihm 2006 eine bis 2008 befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Seither wird er geduldet. Wiederholt hatte der Mann, der von seiner Ehefrau getrennt lebt und mit ihr fünf inzwischen volljährige Kinder hat, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und eines Reisedokumentes beantragt, jedoch ohne Erfolg. Stattdessen forderte der Landkreis ihn zur Ausreise auf und drohte ihm die Abschiebung in die Türkei an. Hintergrund des Konfliktes ist, dass der Mann über keine Ausweisdokumente verfügt. Seine türkische Staatsbürgerschaft hatte er verloren, weil er seinen Wehrdienst in der Türkei nicht abgeleistet hatte. Nachdem er zunächst beim Generalkonsulat der Republik Türkei die Wiedereinbürgerung und die Ausstellung eines Passes beantragen wollte, verweigerte der Mann dies später, da er dafür den Wehrdienst in der Türkei hätte ableisten müssen. Er befürchte seine unverzügliche Festnahme, auch, weil er im Sommer 1991 in Hannover an einer Demonstration teilgenommen hatte, die sich gegen das Vorgehen der türkischen Ordnungsmacht gegen die Bevölkerung und Mitglieder der PKK gerichtet habe.
Die Peiner Behörde widerum hielt die Wiedereinbürgerung und die Passbeschaffung und damit auch die Ableistung des Wehrdienstes für zumutbar, zudem könne man sich auch davon freikaufen. Sie wies den Mann im Januar 2020 aus der Bundesrepublik Deutschland aus. Eine mögliche Abschiebung wurde auf sechs Jahre befristet.
Zur Begründung führte die Behörde an, dass der Mann nahezu während seines gesamten Aufenthalts im Bundesgebiet gegen geltendes Recht verstoßen habe. Bereits nach nur zwei Jahren in Deutschland sei er im Jahr 1987 wegen Hehlerei strafrechtlich in Erscheinung getreten. In den Folgejahren sei er wegen Diebstahls, Erschleichen von Leistungen, Urkundenfälschung und Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz, Landfriedensbruch und Nötigung sowie Betrug und eines Verstoßes gegen das Vereinsgesetz verurteilt worden. Zudem sei er zwischen 2005 und 2016 wegen gemeinschaftlichen Raubes, Unterschlagung, fahrlässiger Körperverletzung, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und wegen zwei Verstößen gegen das Aufenthaltsgesetz jeweils zu Geldstrafen sowie im Jahr 2007 wegen des gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in neun Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden.
Dem Landkreis zufolge bestehe die Gefahr, dass der Mann künftig weitere einschlägige Straftaten begehe. Bleibeinteressen bestünden nicht, da seine Kinder volljährig seien und er von seiner Ehefrau getrennt lebe.
Der Mann hatte daraufhin im Februar 2020 Klage beim Verwaltungsgericht Braunschweig eingereicht. Dieses urteilte nun: Die verfügte Ausweisung sei rechtmäßig und verletzte den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Zwar besteht nach Auffassung der Kammer keine Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Begehung von Straftaten wie denen, die der Kläger in der Vergangenheit begangen hat. Jedoch sei durch seine Passlosigkeit ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gegeben.
Bisher habe der Mann nicht glaubhaft dargelegt, dass er beim türkischen Generalkonsulat tatsächlich einen Antrag auf Wiedereinbürgerung gestellt habe. Eine Wiedereinbürgerung in die Türkei sei zumutbar. Nach Auffassung der Kammer bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger aufgrund seiner mittlerweile 20 Jahre zurückliegenden exilpolitischen Tätigkeiten bei einer Rückkehr in die Türkei zur Absolvierung des Wehrdienstes politische Verfolgung und Inhaftierung drohen. Auch einen Anspruch auf eine Beschäftigungserlaubnis habe der Mann nicht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.