Am 7. Juni 2022 gegen 17 Uhr hatten Polizisten in zivil im Gebiet unter der Fußgängerbrücke in der Nähe einer Sportsbar an der Ecke Bahnhofstraße/Kirchhofstraße (nahe den Bahngleisen) beobachtet, wie dort der 24-jährige Angeklagte mit einem Mann in Motorradkleidung Bargeld gegen Alupäckchen tauschte. Vermutlich soll ein unerlaubter Drogenhandel stattgefunden haben. Als sich die Beamten als Polizei zu erkennen gaben, versuchten die beiden Männer in verschiedene Richtungen zu flüchten. Der Mann in der Motorradkluft konnte unerkannt fliehen, der 24-jährige mutmaßliche Drogenverkäufer – er soll nach Angaben der Polizei dem Clan-Milieu angehören – lief aber den Beamten in die Arme.
Um sich der Überprüfung seiner Personalien zu entziehen, bedrängte, bedrohte und schubste er die sich ihm im Weg stehenden Polizisten. Dabei zerriss der 24-Jährige einem Beamten das T-Shirt. Den Polizisten gelang es jedoch, den Flüchtenden zu stoppen. Einer geplanten Fixierung widersetzte sich der miutmaßliche Drogendealer durch Sperren des Körpers und unkontrollierte Abwehrbewegungen.
Daraufhin eilten mehrere Gäste der nahe gelegenen Sportsbar zum Einsatzort und versuchten lautstark, Einfluss auf die Personenkontrolle zu nehmen. Die am Einsatz beteiligten Beamten fühlten sich dadurch bedrängt. Durch den aktiven Widerstand des 24-jährigen verletzte sich ein Polizist am Knie. Zusätzlich erlitten mehreren Personen Hautabschürfungen an ihren Händen. Es sollen Beschimpfungen wie unter anderem: „Verpisst euch, haut ab, ihr habt hier nichts zu suchen“, gefallen sein.
Es kamen sehr schnell immer mehr neugierige Passanten hinzu, die den Einsatz der Beamten zusätzlich erschwerten. So gelang es dem 24-Jährigen mithilfe eines Unbekannten, sich aus der Fixierung zu befreien und zu fliehen. Dabei soll ihm ein etwa 20-jähriger, 1,80 Meter großer Mann mit Baseball-Cap tatkräftig geholfen haben. Der mutmaßliche Drogenhändler nutzte die Situation und floh über die Bahngleise, konnte dann aber im nördlichen Bereich festgenommen werden.
Eine Kamera in der Sportsbar zeichnete den Tathergang durch das Fenster auf. Das Video wurde den Prozessbeteiligten mehrfach vorgespielt. So konnten die Beteiligten einzeln mit ihrem Verhalten betrachtet werden. Schnell wurde deutlich, dass die zwei mitangeklagten 27- und 30-jährigen Peiner nicht aktiv oder körperlich an der Gefangenen-Befreiung beteiligt waren.
Der vorsitzende Richter gab diesen rechtlichen Hinweis: „Da die Beamten mit der Fixierung nur die gefahrlose Feststellung der Personalien des 24-Jährigen erreichen wollten, handelte es sich in diesem Fall rechtlich um keine Gefangenen-Befreiung, da keine Festnahme erfolgt war.“ Es bleibe jedoch bei unerlaubten, aktiven, tätlichen Widerstandshandlungen gegen die Polizisten.
In ihrem Plädoyer beantragte die Staatsanwältin den Freispruch für den 27- und für den 30-jährigen Angeklagten, da ihnen keine körperliche Tatbeteiligung nachzuweisen war. Dem Antrag schloss sich auch der Verteidiger mit den Worten an: „Das Video macht die fehlende Einmischung deutlich.“ Und die beiden Angeklagten unterstrichen nochmals: „Wir haben nichts damit zu tun.“
Der vorsitzende Richter schloss sich den Ausführungen an. Es gab einen Freispruch für die zwei Angeklagten. „Es liegt kein erkennbarer tätlicher Angriff der Angeklagten vor“, begründete er sein Urteil. Die Verfahrenskosten hat die Landeskasse zu tragen. „Mich wundert es, dass gegen die weiteren Beteiligten nicht erkennbar ermittelt wurde“, äußerte der Richter abschließend. Der Termin für den separaten Prozess gegen den 24-jährigen Mann folgt.