Doch je länger das Telefonat dauerte, umso merkwürdiger wurde es. So versuchte der Anrufer, Knappert davon abzuhalten zur Polizeiwache zu kommen, die nicht einfach so zugänglich sei, wie auch davon, mit anderen zu telefonieren. „Auch die zeitlichen Abläufe passten nicht“, erinnert sich die Peinerin. „Erst klang es, als wäre meine Schwägerin noch an der Unfallstelle, dann auf einmal sollte sie auf der Wache sein.“ Als der vermeintliche Polizist dann fragte, ob sie Geld zuhause habe, war für die 57-Jährige klar, dass es sich um einen perfiden Trickbetrug handeln musste. „Ich habe gefragt, wer meine Schwägerin denn rechtlich vertritt, und habe gesagt, dass ich selbst Anwältin bin“, erzählt Knappert. Daraufhin legte der Anrufer auf.
„Ich war völlig durcheinander“, gibt die 57-Jährige zu. „Ich hätte nie meine Ersparnisse übergeben, aber ich habe am Telefon meine Daten angegeben, was ich sonst auch nicht mache. Das ist mir erst hinterher richtig bewusst geworden.“ Ihr Sohn, der das Telefonat in Teilen mitgehört hatte, hatte bemerkt, dass der Anruf von einer unterdrückten Nummer kam. „Die Polizei würde niemals mit unterdrückter Nummer anrufen“, sagt Knappert.
Letzte Gewissheit brachte dann ein Anruf bei der Peiner Polizei. „Sie sagten, dass bereits rund 30 Personen angerufen hätten, die ähnliche Schockanrufe erlebt hatten“, schildert die Peinerin. Dass die Anrufer mit dem Namen „Steffi“ ins Schwarze getroffen hatten, erklärt sie sich als Zufall. „Sie haben vermutlich einen häufigen Namen ausgesucht“, meint sie. Die kriminelle Energie und das skrupellose Vorgehen der Täter hat sie nachhaltig erschüttert. Das ist auch der Grund, warum sie ihre Geschichte öffentlich erzählt: „Ich möchte andere davor bewahren, auf diese Schockanrufe hereinzufallen.“
Das Bundeskriminalamt (BKA) warnt vor dieser Betrugsmasche am Telefon, den sogenannten „Schockanrufen“. Die Täter gäben sich nicht nur als nahe Angehörige aus, die sich in einer Notlage befänden, sondern bedrängten ihre Opfer auch massiv, indem sie bei weiteren Anrufen vorspielten, staatliche Institutionen wie Polizei und Staatsanwaltschaft zu vertreten.
Die Betrüger suggerierten den angerufenen Personen, dass sie dringend finanziell helfen müssten. Oft werde vorgespielt, dass ein Angehöriger eine Straftat oder einen Verkehrsunfall verursacht habe und ihm nun eine Gefängnisstrafe drohe. Das Opfer werde massiv unter Druck gesetzt, eine vermeintliche „Kaution“ zu stellen oder eine „Entschädigung“ zu zahlen.
Täterseitig agieren laut BKA oft mehrere Anrufende. Sie übergeben sich gegenseitig das Gespräch und spielten den Geschädigten so ein reales und aktuelles Geschehen vor. Zu Beginn führe oft ein vermeintliches Familienmitglied mit weinerlicher Stimme das Gespräch, um im Anschluss das Telefonat an einen weiteren Täter zu übergeben, der sich beispielsweise als Polizeibeamter oder Staatsanwalt ausgebe.
Die Betrüger nutzten diesen Schockmoment aus und setzten ihre Opfer auch unter zeitlichen Druck, um sie zu unüberlegten Handlungen zu drängen. Die Anrufer bänden die Opfer durch permanente Telefonkontakte an sich und verhinderten damit gleichzeitig eine Kontaktaufnahme der Betroffenen zu tatsächlichen Verwandten oder der Polizei.
Gefordert werden Beträge von bis zu 100.000 Euro. Gehe ein Opfer darauf ein, erscheine ein Abholer vor Ort oder das Opfer werde zu einem Übergabeort gelotst. Während dieser Übergabephase wirke ein Anrufer häufig erneut auf das Opfer ein. Sobald die Vermögenswerte übergeben seien, beendeten die Täter das Gespräch.
Das Bundeskriminalamt rät, bei solchen Schockanrufen nicht den Aufforderungen der Anrufer zu folgen, sondern einfach aufzulegen. Auch sollten am Telefon keine Details zu persönlichen oder finanziellen Verhältnissen preisgegeben werden. Die Polizei oder vergleichbare Amtspersonen bitten niemals telefonisch um die Aushändigung von Bargeldbeträgen oder Wertsachen.
Betroffene sollten ihre tatsächlichen Angehörigen unter der ihnen bekannten Nummer anrufen und in keinem Fall Geld oder Wertgegenstände an Personen übergeben, die sie nicht kennen, oder diese sogar ins Haus oder in die Wohnung lassen.
Die Schockanrufe können bei den örtlichen Polizeidienststellen zur Anzeige gebracht werden. Opfer eines Betrugsanrufs können sich bei Bedarf an Opferberatungsstellen wie den „Weißen Ring“ unter der bundesweiten Rufnummer 116 006 wenden.