Gegen 11 Uhr machte sich der vom Peiner Bündnis für Toleranz organisierte Demonstrationszug begleitet von den Samba-Trommeln der Trommelschule „ILU“ aus Hannover auf den Weg von der City Galerie zum Marktplatz. Mittendrin der bekannte Schauspieler und Synchronsprecher Ulli Kinalzik, der im Kreis Peine wohnt. „Ich war bei jeder Demonstration dabei, meine Frau Veronika ist bei den ,Omas gegen rechts’ dabei.“ Er würde sich wünschen, dass noch mehr Menschen mit Migrationshintergrund mitmachen würden, schließlich ginge es auch um sie.
Auf dem Marktplatz hatte der Peiner Grünen-Landtagsabgeordnete Heiko Sachtleben die Moderation übernommen. Er erinnerte daran, dass der 20. April auch der Geburtstag eines Menschen war, der die größten Verbrechen aller Zeiten verschuldet habe, und spielte damit auf Adolf Hitler an. Und an diesem Tag halte die AfD ihren Landesparteitag in Unterlüß ab. Sachtleben erinnerte auch daran, dass es vor mehr als 10 Jahren einen rechten Aufmarsch auf dem Peiner Marktplatz gegeben habe, als dessen Folge sich das Bündnis für Toleranz gründete. „Faschismus ist keine Meinung, Faschismus ist ein Verbrechen“, sagte Sachtleben.
Für die im Raum Peine frisch gegründeten „Omas gegen rechts“ ergriff stellvertretend Anke Ostendorf das Wort. „Manche meinen, Omas gehören aufs Sofa, aber dafür ist jetzt absolut nicht der richtige Zeitpunkt. Auf Veränderungen zu hoffen, ohne selbst etwas zu tun, ist wie am Bahnhof zu stehen und auf einen Zug zu warten, der nicht kommt“, sagte sie. Als Omas hätten sie die Verantwortung, nicht nur für ihre Familien zu sorgen, sondern auch für die Gesellschaft, in der sie leben. „Wir dürfen nicht schweigen, wenn Gruppen versuchen, unsere Gesellschaft zu spalten und Ängste zu schüren.“
Wer sich an die Erzählungen einiger Eltern oder Großeltern erinnere, die unter Flucht und Krieg gelitten hatten, der wisse, wie viel Leid und Schmerz sie ertragen mussten, vertrieben zu werden. Viele Eltern und Großeltern hätten geschwiegen, um ihre Kinder nicht zu belasten. „Und jetzt wird unsere Gesellschaft wieder mit Herausforderungen konfrontiert, die wir nie mehr für möglich gehalten haben. Wenn wir zu Hass und Vertreibung schweigen, bringen fremdenfeindliche Parteien irgendwann jeden zum Schweigen“, warnte Ostendorf. Es gelte, die Stimmen gegen Rassismus und gegen Ausgrenzung zu erheben, in unserer Gesellschaft sei kein Platz für Hass und Diskriminierung. „Wir sind mehr und nie wieder jetzt“, rief sie den Anwesenden zu.
„Ich war immer überzeugter Peiner und werde es immer bleiben – und heute bin ich auch ein stolzer Peiner“, sagte Heil. Er erinnerte an Sally Perel und sein Schicksal als Jude in Deutschland. „Peine ist die Stadt von Sally Perel.“ Auch in den 80er-Jahren habe es Nazis gegeben, aber nun versuchen sie vom Rand in die Mitte der Gesellschaft vorzudringen. Es gebe Krisen und Sorgen, aber Ängste zu schüren, Menschen gegeneinander auszuspielen und die Gesellschaft zu spalten, sei kein politisches Konzept. Es müsse vielmehr an der Lösung von Problemen gearbeitet werden.
Die AfD mache Stimmung gegen Geflüchtete aus der Ukraine und Propaganda für Putin. „Peine ist eine weltoffene Stadt und wir brauchen viele qualifizierte Einwanderer. Ihr gehört zu uns, Ihr seid Teil unserer Stadt, wir sind eine Stadt“, sagte ein sichtlich bewegter Minister. Demokratie zu verteidigen sei nicht nur Staatsaufgabe, auch die Gesellschaft müsse wehrhafter sein. Heil appellierte eindringlich, an der Europawahl am 9. Juni teilzunehmen. „Wenn viele Demokratinnen und Demokraten zur Wahl gehen, dann haben die Rechten keine Chance.“ Einem Austritt aus der EU erteilte er eine klare Absage. „Wir leben von und mit Europa, es ist unser Friedensprojekt und Grundlage für unseren Wohlstand.“ Das Peiner Bündnis für Toleranz kündigte an, einen entsprechenden Wahlaufruf auf seiner Homepage zu veröffentlichen.
Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von Esin Savas, die auf Türkisch und Deutsch sang, sowie der ukrainischen Sängerin Vira Striuk. Glück hatten die Veranstalter mit dem Wetter. Nach dem anhaltenden Regen in den Tagen zuvor war es am Samstagvormittag mit 7 Grad zwar recht frisch, aber die Sonne blitzte immer wieder durch die Wolkendecke. Das mag auch an Savas gelegen haben: Sie sang unter anderem das türkische Lied „Sammel die Sonne für mich auf“.