Jährlich schmeißen die Deutschen rund 18 Millionen Tonnen Lebensmittel in den Müll. Ursachen sind meistens überschrittene Haltbarkeitsdaten, zu große Essensportionen und falsche Einkaufsplanung – oder es schmeckt einfach nicht. Luxusprobleme, wie Zahlen der Welthungerhilfe verdeutlichen. Sie veröffentlichte eine Statistik der Vereinten Nationen, wonach weltweit jährlich mehr als 931 Millionen Tonnen weggeschmissen werden – dem gegenüber stehen 735 Millionen Menschen auf der Welt, die Hunger leiden.
„Gegen die Lebensmittelverschwendung wollen wir etwas tun“, wirbt etwa die Heide-Bäckerei Meyer für seine Rettertüten. Das Gifhorner Unternehmen, das in Peine zwei Filialen unterhält, ist eines von fast 20 Peiner Geschäften, die in der App „Too good to go“ gelistet sind. Gepackte Tüten mit Backwaren aller Art können per App reserviert werden und abends in den teilnehmenden Filialen abgeholt werden. Derzeit kostet eine solche Tüte beim Bäcker 3,90 Euro. Bei Meyer enthalte eine solche Tüte nach eigenen Angaben Waren im Wert von knapp 12 Euro.
Auch die Peiner Landbäckerei Grete ist in der App vertreten. Geschäftsführer Iljaz Leba unterstützt den nachhaltigen Gedanken dahinter, ist von dem Konzept allerdings nicht vollends überzeugt. „Ich habe dabei gemischte Gefühle. Denn wir bemerken auch, dass wir dadurch Kundinnen und Kunden verlieren“, erklärt Leba. „Manche kaufen sich dann lieber eine Rettertüte statt zur regulären Öffnungszeit in das Geschäft zu kommen.“ Derzeit verkaufe Leba die Tüten noch zu den alten Konditionen, bei denen er rund 50 Prozent Preisnachlass gibt. „Davon bleibt noch einmal ein Drittel beim App-Anbieter“, schildert Leba. Nach den neuen Konditionen soll Leba jedoch um 70 Prozent reduzieren und von den übrig gebliebenen 30 Prozent weiterhin ein Drittel an „Too good to go“ abgeben. „Da mache ich dann nicht mehr mit“, so der Grete-Geschäftsführer.
Denn so funktioniert’s: Interessierte laden sich die App auf ihr Smartphone, suchen sich unter den mehr als 25.700 teilnehmenden Betrieben ein passendes Angebot aus und reservieren sich eine Tüte per App. Auch die Bezahlung erfolgt über die App. „Alle vier Monate erhalten wir eine Auszahlung“, meint Leba. Zu einem in der App angegebenen Zeitpunkt – meist am Abend – kann die Ware vor Ort abgeholt werden. Auf diese Weise sollen nach Angaben von „Too good to go“ mittlerweile mehr als 43 Millionen Überraschungstüten gerettet worden sein. Rund 12,4 Millionen Menschen nutzen die App derzeit weltweit.
Hotels, Supermärkte, Bäckereiketten, Cafés, Shops und Restaurants sind in der App gelistet. Im Kreis Peine nehmen derzeit diese Betriebe an „Too good to go“ teil: Back Factory, Balkenholl Bäckerei in Sievershausen, Kochlöffel, Backlife Café Vortagsbäckerei, Aral to go, Landbäckerei Grete, Heide-Bäckerei Meyer und das Café Magie, Rausch Schokoladenhaus, Schäfer’s Bäckerei bei Rewe, Bistro Vital bei HEM in Vechelde, Café bonjours bei Total in Hohenhameln, Star Tankstelle in Denstorf, Aral in Ilsede, Jet Tankstelle, Aslan Großhandel, Pur unverpackt Hofladen in Uetze und Mein Bäcker Rühmann in Woltwiesche.
Doch tun Teilnehmende mit den Rettertüten tatsächlich etwas Gutes? Wie kommen Einrichtungen wie die Peiner Tafel mit der Konkurrenz zurecht? „Wir bemerken schon, dass wir weniger Spenden aus den Märkten erhalten. Vor allem Molkereiprodukte, Obst und Gemüse sind weniger geworden. Das sagen auch andere Tafeln“, schildert Birgit Kegel, Leiterin der Peiner Tafel. Dennoch habe sie Verständnis dafür, dass die Supermärkte die App nutzen. „Ich kann das verstehen. Und letztendlich ist es ja in unserem Sinn, dass am Ende nichts weggeschmissen wird.“