„Wir sind gerade dabei, das Kraftwerk stillzulegen“, erklärt Fieber. So würden derzeit Öle und andere gefährliche Arbeitsstoffe entsorgt. Der Rückbau, wie der Abriss etwas eleganter genannt wird, soll im kommenden Oktober beginnen. Dabei müsse auch das eine oder andere Gebäude gesprengt werden, wofür entsprechende Genehmigungen nötig seien, erklärt der Geschäftsführer. Übrig bleibe am Ende so gut wie nichts vom alten Kraftwerk, nur das Pförtnerhaus und ein Lagergebäude sollen bleiben. Bis das alles geschehen ist, werden sicher zwei bis zweieinhalb Jahre ins Land gehen, meint Fieber.
Die Bundesregierung will in Sachen Energiegewinnung bis zum Jahr 2030 schrittweise den Kohleausstieg vollziehen. Ob das wirklich machbar ist, steht auf einem anderen Blatt. „Wenn man diesem Fahrplan folgt, müssen spätestens 2030 Ersatzkraftwerke geschaffen sein“, sagt Fieber. Doch wie genau diese Strategie aussehen soll, sei noch nicht ganz klar. So müsse zum Beispiel noch entschieden werden, wie viele Gaskraftwerke eigentlich gebaut werden sollen – und auch wo. Bereits seit Jahren würden in der Angelegenheit Abstimmungen mit der EU laufen, so der Fachmann.
Auf dem dann größtenteils leeren Gelände in der Nähe des Mittellandkanals in Mehrum könnte ungefähr ab Mitte 2027 ein Gaskraftwerk gebaut werden. Die Bundesregierung werde die Gaskraftwerke ausschreiben: „Und unser Plan ist, uns darauf zu bewerben“, erläutert Fieber. Man hoffe auf einen Zuschlag, die entsprechende finanzielle Regelung werde bereits verhandelt – und „es sieht gut aus, dass ein Gaskraftwerk in Mehrum geplant werden darf“. Wie teuer das letztendlich werden könnte, lasse sich derzeit noch nicht sagen, erklärt der Geschäftsführer.
Ein Plan ist auf jeden Fall vom Tisch: Ab 2020 wurde auch öffentlich darüber gesprochen, auf dem Kraftwerksgelände in Mehrum ein Wasserstoffzentrum zu bauen. In diesem hätte durch Elektrolyse Wasserstoff produziert werden sollen. Mit diesem hätte man auch die Turbinen des schon damals ins Auge gefassten Gaskraftwerks betreiben können. „Wir werden wohl aber eher Verbraucher als Erzeuger sein“, sagt Fieber. Denn ein großer Teil der erneuerbaren Energien soll künftig in oder an der Nordsee erzeugt werden. Demnach hätte man den Wasserstoff von Mehrum aus dorthin transportieren müssen, was ein viel zu großer Aufwand geworden wäre, schildert Fieber. Daher sei es effizienter, den Wasserstoff nach Mehrum bringen zu lassen. „Eine Erzeugung in Küstennähe ist sinnvoller“, meint Fieber.Zum Kraftwerk Mehrum gehört auch der Kohlehafen am Mittellandkanal. Bis Anfang 2023 wurde hier per Schiff die Kohle zum Betrieb des Kraftwerks angeliefert. Das 250.000 Quadratmeter große Gelände auf der Grenze zwischen der Peiner Ortschaft Schwicheldt und der Gemeinde Hohenhameln soll auch in Zukunft genutzt werden – nur eben ganz anders, als es zuletzt der Fall gewesen ist. Auch hier ist ein Rückbau vorgesehen, damit etwas Neues entstehen kann. Vorgesehen ist ein Industriegelände: „Hierzu sind wir weiter in Verhandlungen“, sagt Fieber. Allerdings sei noch nichts spruchreif – und der Bieter möchte damit noch nicht an die Öffentlichkeit gehen. Im März allerdings hieß es bereits, dass eine Produktionsstätte eines bekannten Unternehmens nach Mehrum kommen soll.
Vom Netz gegangen war das Kraftwerk Mehrum bereits Ende 2021. Aber nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 kam es zum Einbruch der Erdgaslieferungen aus Russland. Daraufhin wurden einige Kohlekraftwerke in Deutschland reaktiviert – so auch das in Mehrum. Allein zwischen dem Jahreswechsel 2023/2024 und Ende März wurden in dem Kraftwerk 498 Millionen Kilowattstunden Strom produziert. Genug, um während dieses Zeitraums eine halbe Million durchschnittliche Haushalte mit Energie zu versorgen. Gleichzeitig bedeutete dies den Ausstoß von mehr als 462.000 Tonnen Kohlenstoffdioxid (CO2). Zum Vergleich: Wer 5.000 Kilometer mit einem durchschnittlichen Mittelklasse-Verbrennerauto fährt, stößt mit seinem Fahrzeug etwa eine Tonne Kohlenstoffdioxid aus.