Die Bauarbeiten im Lindenquartier sind weit vorangeschritten, die Pflasterarbeiten am neuen Platz, über den es unter anderem zu den neuen Standorten von Rossmann, Deichmann und auch zum Eiscafé Amary geht, abgeschlossen. Nun soll der Ratsbeschluss umgesetzt werden. Dieser geht auf einen Antrag der Gruppe SPD/Bündnis 90/Die Grünen im Rat der Stadt Peine aus dem Jahr 2020 zurück. Darin geht es um einen Antrag der Gruppe auf die Ehrung von verdienten Peiner Bürgerinnen und Bürgern durch die Benennung von Straßen, Plätzen oder Gebäuden. Vor diesem Hintergrund hat die Verwaltung vorgeschlagen, den neuen Platz im Lindenquartier „Dr.-Willy-Boß-Platz“ zu nennen. Dafür hat sich eine Mehrheit gefunden.
Das Vorhaben sei auch mit Nanni Boß, der Witwe des früheren Peiner Stadtdirektors, abgesprochen worden, sagt der Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion, Matthias Wehrmeyer. „Da ihr verstorbener Mann sich immer sehr dafür eingesetzt hat, Leben in die Peiner Innenstadt zu bringen und dieses zu fördern, hält sie den Standort für sehr geeignet“, sagt Wehrmeyer.
Dr. Willy Boß hat sich um die Stadt Peine sehr verdient gemacht. Er wurde 1931 in Jülich in Nordrhein-Westfalen geboren und kam 1963 als Stadtrat für das Rechtswesen und allgemeiner Vertreter des Stadtdirektors nach Peine. Im November 1972 wurde er erstmals zum Stadtdirektor gewählt und bekleidete das Amt dann fast 24 Jahre lang, bis er 1996 in den Ruhestand ging.
„In seiner Amtszeit wurden zahlreiche bedeutende Projekte und Weichenstellungen für die Stadtentwicklung und insbesondere für den Wirtschaftsstandort realisiert“, heißt es in der Ratsvorlage. Immer wieder wird betont, dass er die moderne Stadt an der Fuhse wie kein anderer geprägt habe. Unter anderem fielen die Schaffung der ersten Fußgängerzone in Niedersachsen und Eingemeindung der 14 Ortschaften Anfang der 1970er-Jahre im Zuge der gesetzlich beschlossenen Gebietsreform, die nicht überall auf Zustimmung stieß, in seine Amtszeit.
Aber eine seiner größten Herausforderungen war wohl die Bewältigung der Stahlkrise. Boß gelangen wichtige Unternehmensansiedlungen wie Rausch, Matsushita und C&A. Auch mit der Gerhard-Lucas-Meyer Stiftung war er in 34-jähriger Vorstandstätigkeit eng verbunden. Er galt als überzeugter Sozialdemokrat, war aber kein Parteisoldat. Wenn er der Ansicht war, dass die Vorstellungen der SPD-Fraktion und seiner Partei nicht dem Wohl der Stadt dienten, scheute er sich nicht davor, sich zu distanzieren.
Für seine Verdienste um die Stadt Peine wurde Boß auch bereits zu Lebzeiten geehrt: Zu seinem 70. Geburtstag am 20. März 2001 wurde ihm mit dem Ehrenbürgerrecht die höchste Auszeichnung der Stadt Peine verliehen. Boss starb am 7. Juli 2015.
Um sein Leben und Wirken für die Stadt Peine dauerhaft und nach außen sichtbar zu würdigen, soll nun mit Einverständnis des Eigentümers der neue Platz, der sich in Privatbesitz befindet, nach dem verstorbenen Stadtdirektor benannt werden. Unter die entsprechenden Straßenschilder soll ein Zusatzhinweis angebracht werden, der den Bezug zum Namensgeber herstellt.
Anlieger seien von der Benennung nicht betroffen, sagt der Sprecher der Peiner Stadtverwaltung, Moritz Becker, auf Nachfrage. Die Gebäude sind postalisch der Lindenstraße zugeordnet, die ihren Namen behalten wird.
Übrigens wurde der Antrag von SPD und Grünen, Plätze, Straßen oder Gebäude nach verdienten Peinern und Peinerinnen zu benennen, schon zwei Mal umgesetzt: Im Mai 2022 wurde die Fläche vor dem Peiner Forum in „Anna-Margret-Janovicz-Platz“ umbenannt. Anna-Margret Janovicz war die Enkelin des Gründers der Ilseder Hütte, Gerhard Lucas Meyer, und hat sich in Peine als Stifterin hervorgetan.
Die Gerhard-Lucas-Meyer-Stiftung – 1979 von Janovicz und ihrem Ehemann Wilhelm gegründet – ließ die bekannten Senioren-Wohnungen im Winkel bauen und stellte 40 Pflegeplätze bereit. Insgesamt wurden zwischen 1980 und 1994 rund 16 Millionen Mark investiert. Janovicz starb 2017 im Alter von 100 Jahren. Für ihr Engagement erhielt sie 1986 das Bundesverdienstkreuz und 1987 den Ehrenring der Stadt Peine. Das gesamte Umfeld des heutigen Anna-Margret-Janovicz-Platzes ist durch ihr Wirken entstanden.
Zu Ehren von Sally Perel („Ich war Hitlerjunge Salomon“) wurde im April 2022 die Peiner Wallschule in „Wallschule Sally Perel Peine“ umbenannt. Perel wurde 1925 am Damm in Peine geboren und besuchte die Wallschule. Seine Familie musste 1935 vor den Nazis fliehen. Als Mitglied der Hitlerjugend war es Perel gelungen, seine jüdische Identität zu verbergen und den Nationalsozialismus zu überleben. Seine Autobiografie „Ich war Hitlerjunge Salomon“ wurde 1990 unter dem Titel „Hitlerjunge Salomon“ verfilmt.