Opfer illegaler Drogen: Seit Sommer vergangenen Jahres gibt es zwei Verstorbene
Gedenktag für Drogentote in Peine: Beratungsstellen und Polizei zur aktuellen Situation

Gedenken der Drogentoten: Vanessa Schön und Malte Plönnings bereiten die neue Gedenktafel im Café Sonderbar in Wolfsburg vor.foto: Udo Eisenbarth
Peine. Die Zahl der durch illegale Drogen verursachten Toten in Deutschland hat sich in den vergangenen zehn Jahren in etwa verdoppelt. 2023 wurden vom Bundeskriminalamt bundesweit 2.227 drogenbedingte Todesfälle registriert. Auch in der Region Peine, Wolfsburg und Gifhorn gab es im vergangenen Jahr Drogentote, an die am Gedenktag am 21. Juli erinnert wurde.

Im Landkreis Peine sind seit dem Gedenktag 2023 zwei Drogenkonsumenten aus dem Umkreis des Lukas-Werks Fachambulanz Sucht verstorben, sagt David Röker. Im Jahr davor waren es drei. „Da ist kein Trend erkennbar“, sagt er. Aber: „Die Konsumenten werden immer älter. Sie versterben seltener an einer Überdosis. Oftmals steht ihr Tod im Zusammenhang mit den Langzeitfolgen ihrer Abhängigkeitserkrankungen.“ Aktuell werden im Lukas-Werk 97 Personen betreut. Wie viele Menschen im Kreis Peine abhängig von illegalen Drogen sind – darüber gibt es keine verlässlichen Zahlen, ebenso wenig wie aus Gifhorn oder Wolfsburg.

„Und wenn ich tot bin, denkt dann noch jemand an mich?“ Das ist die Kernfrage im Leben der Drogenkonsumenten, die den Diplom-Sozialpädagogen Udo Eisenbarth und sein Team von der Jugend- und Drogenberatung in Wolfsburg umtreibt. „Wenn sich Menschen in ihrem Leben immer wieder für die Droge entschieden haben, bleibt von den Beziehungen zu Familie und Freunden oft nichts mehr übrig. Was aber bis zum Lebensende bleibt, ist die Angst davor, vergessen zu werden – als hätte man nie gelebt.“

Deshalb hat das Team jetzt ein Fotoprojekt gestartet. Jeder in der Drogenszene, der möchte, kann sich fotografisch portraitieren lassen. Dafür bekommt er einen Abzug des Portraits und das Versprechen, dass sein Bild mit seinem Namen und dem Sterbejahr an einer neuen Gedenkwand im Café SonderBar angebracht wird, wenn er stirbt. Das Café ist zwar nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, dennoch wird so das Vergessen der Opfer bei den letzten Wegbegleitern verhindert. „Das ist Wertschätzung der Menschen“, betont Udo Eisenbarth, der ein Gedenken nicht als Kritik an den Staat sehen möchte, sondern als eine Erinnerung an Politik, Berater, Konsumenten, Gesellschaft, dass jeder und jede eine gewisse Verantwortung trage – und das für den Konsum illegaler wie legaer Drogen wie Alkohol und Tabak gleichermaßen.

Drogenopfer gab es im vergangenen Jahr in Wolfsburg acht. „Das sind die, von denen wir wissen, die wir kennen. Und es sind auch die dabei, die an den langfristigen Folgen des Konsums gestorben sind.“ Zahlen der Beratungsstellen wichen daher von den polizeilichen Zahlen ab, in denen nur aktuelle Todesfälle – beispielsweise durch eine Überdosis – erfasst würden. Und noch eine Zahl nennt Udo Eisenbarth: „Wir hatten vergangenes Jahr 699 Beratungsfälle.“ Allerdings umfasst diese Zahl auch Personen, die mehrfach beraten wurden.

Die Gifhorner Suchtberatungsstelle Venito im Speicherhof weiß von zwei Drogentoten im vergangenen sowie bisher einem in diesem Jahr. In der erst 2023 eröffneten Stelle wurden 2023 mehr als 700 Beratungsgespräche geführt, etwas mehr als 120 Personen werden regelmäßig beraten. Schwerpunkte sind vor allem der Konsum von Alkohol, aber auch illegale Drogen. Zumeist haben Betroffene einen Mischkonsum, wie zum Beispiel Alkohol und Kokain. Darüber hinaus spielen Medikamente eine wesentliche Rolle.Gedenken ist nur eine Seite der Drogenszene, Prävention gegen den Konsum eine weitere – und die spiegelt sich nicht nur in der Arbeit der Beratungsstellen wider, sondern auch in der Arbeit der Polizei. Weniger Heroin, mehr kokainhaltige Substanzen wie Crack: Ein bundesweiter Trend, den die Polizei in Wolfsburg auch für die Stadt bestätigt. „Das Lagebild ist hier ähnlich wie in der ganzen Bundesrepublik“, sagt Polizeioberkommissarin Sina Matschewski. Der angrenzende Bereich das Wolfsburger Hauptbahnhofs, insbesondere der Bereich des ZOB, gelte als Anlaufpunkt für die offene Drogenszene.

Auch in Gifhorn nehme der Besitz und damit wohl auch der Konsum von Kokain zu, teilt Polizeikommissarin Marie-Charlott Seffer mit. Trends aus anderen Regionen wie eine Zunahme des Konsums von synthetischen Opioden oder auch ein gehäuftes Vorfinden von Drogen wie Crystal-Meth seien in Gifhorn bislang aber nicht festzustellen. Konkrete Brennpunkte gebe es im Landkreis nicht, der Schwerpunkt liege allerdings in der Kreisstadt.

Im Landkreis Peine bewege sich die Anzahl der Ermittlungsverfahren aus dem Bereich der Betäubungsmittelkriminalität auf anhaltend hohem Niveau, heißt es von Polizeisprecherin Carolin Spilker. Sie sieht das Stadtgebiet Peine im Vergleich zum restlichen Landkreis als Hochburg. Auch Trends gebe es: Aktuell seien insgesamt Amphetamin, Kokain und Ecstasy angesagt, es gebe immer mehr Crack-Raucher und auch jüngere Konsumenten würden bereits Kontakt zu harten Drogen haben.
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