„In anderen Jahren kann ein Trecker zwei beladene Erntewagen vom Feld ziehen, das war diesmal oft nicht möglich“, ergänzt Wohlenberg. Er ist im Niedersächsischen Landvolk Braunschweiger Land neben Jürgen Hacke (Wehnsen) und Carsten Lauenstein (Bodenstedt) eines von drei Vorstandsmitgliedern aus dem Kreis Peine. Die meisten Böden seien seit Monaten übermäßig gesättigt, das mache die Arbeit auf den Feldern schwierig. Hinzu komme die warme Witterung: Ein feuchtwarmes Klima begünstigt auch bei den Feldkulturen das Pilzwachstum.
Nach mehreren sehr trockenen Jahren sei schon 2023 extrem feucht gewesen, sodass nicht nur weniger geerntet wurde, sondern zudem ein Großteil des Getreides nicht für die Lebensmittelproduktion - etwa Weizen für Brotmehl oder Gerste zum Brauen - geeignet war. Es konnte nur als Viehfutter verwendet werden, für das es weniger Geld gibt. In diesem Jahr sehe es in weiten Teilen ähnlich aus, sagt Volker Meier, Geschäftsführer des Niedersächsischen Landvolks Braunschweiger Land. „Aber mit dem Wetter und auch dem Klima müssen die Landwirte seit jeher leben. Das sind wir gewohnt, und damit kommen wir klar“, sagt Henties.
Allerdings spielen neben den natürlichen auch die politischen Einflüsse eine große Rolle - und da gebe es eine Menge, worüber sich die Landwirte mächtig ärgern. „Das war auch der Grund für die Bauernproteste in den Wintermonaten. Wir fühlen uns ungerecht behandelt und können nicht mehr auskömmlich wirtschaften“, machen die Männer deutlich. So gebe es ungleiche Wettbewerbsbedingungen, die verhindern, dass der Markt sich selbst reguliert.
„Wenn der Markt funktioniert, steigen in Jahren mit geringeren Ernteerträgen, so wie es aktuell für ganz Westeuropa der Fall ist, die Preise für die Erzeugnisse, sodass die Einnahmen stimmen. Inzwischen gibt es aber aus anderen Teilen der Welt ausreichend Getreide, das importiert und deutlich günstiger verkauft wird, als es uns aus Wirtschaftlichkeitsgründen möglich ist“, erklärt Wohlenberg.
Das liege nicht nur am Wetter, sondern auch an zahlreichen Standards, an die sich die Landwirte in Deutschland halten müssten, andere aber nicht, etwa bei Pflanzenschutzmitteln. Einige seien in Deutschland und der EU seit vielen Jahren verboten, würden aber andernorts nach wie vor eingesetzt. Besonders ärgerlich sei der Umgang mit der Nitratbelastung des Grundwassers: Im Landkreis Peine gelten rund 80 Prozent der Anbauflächen als „rote Gebiete“, also als Regionen mit besonders hohen Nitratkonzentrationen. Die Landwirte kritisieren, dass die Messstellen für die Ermittlung der Wasserqualität nicht den Vorgaben entsprechen und dass die „roten Gebiete“ nicht anlassbezogen, sondern nach mathematischen Grundsätzen ausgewiesen werden.
Das hat Konsequenzen: In „roten Gebieten“ muss die Stickstoffzufuhr generell 20 Prozent unter dem tatsächlichen Bedarf der Pflanzen liegen. „Das bedeutet, dass wir nicht pflanzenbedarfsgerecht düngen dürfen. So wird es uns von vornherein unmöglich gemacht, die Qualität zu produzieren, die der Markt will und braucht“, macht Hacke deutlich. „Das ist ungefähr so, als dürfe man eine Kuh nicht ausreichend füttern“, stellt Lauenstein einen anschaulichen Vergleich auf.
„Wir Bauern leben von gesunden Böden, haben selbst ein großes Interesse daran, diese zu schützen, und sind bereit, unseren Teil dazu beizutragen“, betonen die Männer einstimmig. Frust komme aber auf, wenn in der Politik fachfremde Verantwortliche den Landwirten, die sich mit ihrer Ausbildung und Erfahrung als Fachleute in ihrem Gebiet sehen, Vorgaben machen, die nicht nachvollziehbar seien.
„Das empfinden wir als anmaßend. Zudem sehen wir den Bürokratismus und die Regulierungswut als ein Zeichen des Misstrauens. Wir würden uns einen Dialog auf Augenhöhe wünschen, um gemeinsam nach gangbaren Wegen zu suchen, die gern auch innovativ sein dürfen“, sagen die Landwirte. „Solange das nicht passiert, wird die große Unzufriedenheit unter den Landwirten anhalten“, prophezeit Henties.
Die Proteste hätten bereits etwas bewirkt, hat Lauenstein beobachtet: „Die Menschen sind viel interessierter und rücksichtsvoller, etwa wenn man mit einem Mähdrescher im Verkehr unterwegs ist. Ich habe den Eindruck, dass die Akzeptanz unserer Arbeit gestiegen ist. Vielleicht ist das ja der Beginn eines gewissen Umdenkens.“