Um die Untersuchungskapazitäten der Labore nicht zu überfordern, würden nur noch die ersterkrankten Tiere untersucht: „Nach Feststellung des ersten Ausbruchs in einem Betrieb erfolgt bei nachfolgend erkrankenden Tieren bei gleicher Symptomatik keine erneute Laborbestätigung“, erklärt der Sprecher der Peiner Landkreisverwaltung, Fabian Laaß, das Fehlen von Fallzahlen im Einzelnen. Im Kreis gibt es insgesamt 81 Betriebe mit Rinderhaltung, 161 mit Schafen. Ziegen, Alpakas und Lamas, die sich theoretisch ebenso wie Rehe und Damwild mit dem Virus infizieren können, werden auf 71 registrierten Höfen gehalten.
Die Symptome der Blauzungenkrankheit seien bei Schafen gravierend und reichten von hohem Fieber, allgemeiner Apathie und Schwäche bis hin zu hochgradig schmerzhaften Schwellungen am Kopf, Schleimhautablösungen an Zunge, Maul und Nase sowie Lahmheiten durch Klauenveränderungen. „Bei Rindern wird die Erkrankung meist zufällig oder im Rahmen anderer Diagnosen entdeckt, die Symptome sind deutlich milder und weniger spezifisch“, berichtet Laaß. Es gelte die Regel, dass in blauzungenfallfreie Gebiete (empfängliche) Tiere nur mit negativem Test verbracht werden. Für Menschen sei der Krankheitserreger ungefährlich - auch Fleisch und Milch(produkte) könnten bedenkenlos verzehrt werden.
„Innerhalb nicht freier Gebiete dürfen Tiere verbracht werden, sofern diese nicht akut erkrankt sind.“ Aus Tierschutzgründen müssten akut erkrankte Tiere tierärztlich behandelt werden. Die Krankheit werde „nicht direkt von Tier zu Tier übertragen“, sondern durch eine ein bis vier Millimeter kleine, blutsaugende Mückenart, sogenannte Bartmücken oder Gnitzen. „Sobald die ihre Aktivität einstellen, wird die Übertragung ebenfalls deutlich reduziert.“ Bei anhaltend warmer Witterung könne sich die Übertragungszeit über den Winter verlängern - auf eben diese Weise habe sich das im Herbst 2023 begonnene Infektionsgeschehen im vergangenen Winter (reduziert) fortgesetzt.
Die Blauzungenkrankheit habe sich bereits einmal ab 2006 vermehrt ausgebreitet. „Nach einer Impfaktion ab 2008 gegen den Serotyp BTV-8 war die Seuche 2009 in Deutschland erloschen, nachfolgend wurde die Impfung eingestellt“, bilanziert Laaß. Nachdem im Herbst 2023 ein neuer Serotyp, BTV-3 in den Niederlanden erstmalig auftrat, habe dieser sich in einer immunologisch ungeschützten Population verbreitet. Als Ursache für das Wiederauftreten der Krankheit würden auch „Klimawandelfolgen“ wie die Ausbreitung von zuvor in Nordeuropa nicht aufgetreten Insektenarten diskutiert. Durch sogenannte Repellentien - chemische Stoffe, die die Geruchsorgane der Insekten täuschen - könne „ein gewisser Schutz“ erreicht, das Infektionsrisiko reduziert werden.
„Nur die Impfung stellt derzeit einen wirksamen Schutz vor schweren Verläufen der Erkrankung dar“, so Fabian Laaß. Die Ständige Impfkommission Veterinärmedizin am bundeseigenen Friedrich-Loeffler-Instituts empfehle sie „mit großer Dringlichkeit“ ebenso wie das niedersächsische Landvolk und die Tierseuchenkasse. Ohne Impfung wird die „völlige Durchseuchung der empfänglichen Tierarten“ erwartet, die bis zu einer ansteigenden Immunitätsrate nach bisherigen Erkenntnissen mit hohen Verlusten und „erheblichem Leiden bei erkrankten Tieren“ einhergehe. Bis Bekanntwerden der ersten Ausbrüche im Landkreis Peine habe nur ein Tierhalter seine Tiere impfen lassen. Mittlerweile seien viele weitere dem Beispiel gefolgt. Über die Gründe von Haltern, ihren Tieren eine wirksame Impfung vorzuenthalten, könne nur spekuliert werden.
Entgegen „vereinzelter Gerüchte“, die die Wirksamkeit des Impfstoffs anzweifelten, belegten die „Erfahrungen aus dem Feld“, dass die Infektionen in frühzeitig geimpften Herden deutlich milder verlaufen, während in ungeimpften Schafherden „bis zu einem Drittel der Tiere verenden und die restlichen hochgradige Krankheitserscheinungen zeigen“. Es stimme, dass es bei einmal geimpften Tieren noch zu Infektionen kommen könne, die Verluste aber deutlich niedriger als in ungeimpften Herden seien. Massentötungen, das „Keulen“ von Beständen, gebe es nicht. Ob ein Tier aufgrund seines schlechten Zustands „erlöst“ werde, entscheide der Tierhalter im Einzelfall in Absprache mit dem Hof-Tierarzt, ergänzt Laaß.