Doch wie hat sich die Lage in der Region entwickelt? Fabian Laaß, Sprecher der Kreisverwaltung, erklärt: „Seit dem erstmaligen Auftreten des Erregers BTV-3 im Landkreis Peine sind in einer niedrigen zweistelligen Zahl von Betrieben Erkrankungen mit dem Blauzungenvirus festgestellt worden.“ Eine genaue Anzahl könne die Verwaltung nicht nennen, „da bei bereits betroffenen Betrieben und eindeutiger Symptomatik nicht jedes Einzeltier virologisch auf das Virus der Blauzungenkrankheit untersucht wird“, so Laaß weiter. Bei dem „massiven Ausbruchsgeschehen“ würde das die Labor-Kapazitäten erschöpfen.
Insgesamt beruhige sich die Lage im Landkreis wieder. Insgesamt zehn Fälle seien im Landkreis angezeigt worden, wie Landwirt Carsten Lauenstein der Peiner Allgemeinen Zeitung (PAZ) erzählt. Die Dunkelziffer dürfte aber höher sein. Dass sich die Lage beruhigt, könnte auch damit zusammenhängen, dass über 60 Betriebe insgesamt 1.300 Schafe, Ziegen und Rinder haben impfen lassen. Denn: „Parallel dazu hat die Anzahl von Neuausbrüchen abgenommen“, so Fabian Laaß weiter. Aber zwei weitere Faktoren spielen eine Rolle, die zur Beruhigung der Situation führen: Zum einen bauen infizierte Tiere eine Immunität gegen das Blauzungenvirus auf. Zum anderen gehen die Temperaturen immer weiter herunter. Damit sind auch die Stechmücken (auch Gnitzen genannt) inaktiver, die das Virus auf Schafe, Rinder, Ziegen, aber auch Lamas und Alpakas übertragen.
Wie viele Tiere an der Blauzungenkrankheit gestorben sind, ist bislang noch nicht klar. Carsten Lauenstein schildert dramatische Situationen. Der Peiner erzählt im PAZ-Gespräch von einem Betrieb, der von 4.000 Schafen und Lämmern rund 1.000 verloren hat. Einer Frau verkauft Carsten Lauenstein regelmäßig mehrere Lämmer. Insgesamt 16 waren es, als knapp die Hälfte von ihnen an dem Blauzungenvirus starb. „Es tut weh“, so der Landwirt.
Besonders häufig seien Lämmer von schweren bis tödlichen Folgen betroffen, so Lauenstein. Der Grund: Die Lämmer besitzen noch kein ausgereiftes Immunsystem. Gleiches gilt für immungeschwächte Schafe – ihr Immunsystem kommt gegen das Virus einfach nicht an.
Carsten Lauenstein weiß nicht genau, ob seine Merinofleischschafe die Blauzungenkrankheit hatten, aber er geht davon aus. „Die Krankheit hat vielfältige Erscheinungsbilder, ich bin mir nicht sicher, aber es könnte sein“, erklärt er. Ein paar seiner Tiere hatten angeschwollene Gelenke und konnten schwer atmen, doch der Landwirt musste glücklicherweise keinen schweren Verluste verkraften.
Seine Tiere hat der Peiner geimpft. Trotzdem machte ihm die Situation zu schaffen: „Ich bin immer mit Bauchschmerzen zu den Schafen gefahren.“ Denn für die Landwirte kämen die Tiere kurz nach ihren Kindern, ein hochemotionales Thema. „Das macht mit dem Tierhalter viel und das Schlimmste ist, man kann nichts machen.“
Denn gegen das Virus gibt es kein Gegenmittel. Halter könnten die Qual nur mit Schmerzmitteln lindern. Betroffene Tiere und insbesondere Schafe leiden regelmäßig unter hohem Fieber, Speichelfluss, Schwellung des Kopfes, der Zunge und der Lippen, geröteten Schleimhäuten mit möglicher Ablösung von Schleimhäuten. „Man versucht die Tiere zu unterstützen, wo man kann“, so Carsten Lauenstein. Im schlimmsten Fall müssen die betroffenen Schafe dann aber eingeschläfert werden. Für den Landwirt ein schrecklicher Gedanke: „Es ist ein Leben mit der ständigen Angst, dass unsere Tiere sterben.“
Doch wieso steigen die Zahl der Infektionen auch in Niedersachsen immer weiter an? Wie die Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen mitteilt, gilt der Klima-Wandel unter anderem als ursächlich. Durch die immer milderen Winter und mehr Feuchtigkeit im Frühjahr konnten sich die Gnitzen stark vermehren.
Die Klimaschützer machen deutlich, dass die starken Infektionsausbrüche auch für Bürger langfristige Folgen haben können. Denn Sterben viele Tiere, ist auch die Versorgung mit tierischen Produkten gestört. Die Stiftung rät allen Landwirten zur Impfung gegen das Blauzungenvirus, auch wenn diese noch nicht verpflichtend ist.
Dass die Impfung geholfen hat, kann auch Carsten Lauenstein bestätigen. Es habe weit aus weniger Verluste gegeben. Der Bodenstedter kann nur vermuten, wieso Landwirte ihre Tiere nicht impfen lassen wollen. Der Impfstoff hat eine Notfallzulassung, vielleicht ist das der Grund. Jetzt fliegen die Mücken auf jeden Fall weniger, das merkt auch Carsten Lauenstein.