Als sie sich senkt, hat sich die Kulisse verändert. Nun ist es weithin sichtbar Realität: Der Abriss des 1979 in Betrieb gegangenen Kraftwerks schreitet unaufhaltsam voran. In den nächsten Monaten werden mehrere Gebäude konventionell entfernt, doch im Frühjahr wird es eine weitere, noch spektakuläre Sprengung geben. Dann müssen Schornstein und Kühlturm weichen. In einem dritten Schritt wird dann das Kesselhaus gesprengt.
Das Kraftwerksgelände war am Samstag seit den Morgenstunden weiträumig von der Polizei, der Feuerwehr und Kraftwerksmitarbeitern abgesperrt. Durchgelassen wurde nur, wer einen „Passierschein“ vorweisen konnte. Diese Sicherheitsmaßnahme hatte einen guten Grund: Für die Sprengung der beiden 60 Meter hohen Asche-Silos mit ihren bis zu zwei Meter dicken Wänden um Punkt 11 Uhr kamen rund 350 Kilogramm Sprengstoff zum Einsatz, und selbstverständlich taten die Verantwortlichen alles, damit niemand gefährdet wurde.
Rund 80 geladene Gäste durften das Spektakel von einer Anhöhe auf dem Gelände des benachbarten Biogenen Zentrums aus verfolgen, doch das Interesse war weitaus größer: Schon früh am Morgen hatten sich auf den umliegenden Feldwegen die ersten Schaulustigen eingefunden, um sich Plätze mit den besten Blicken auf das Geschehen zu sichern. Kurz vor der Sprengung waren es wohl Tausende, die sich in der Feldmark eingefunden haben.
„Aus meiner Sicht hat alles wie am Schnürchen geklappt“, sagte Michael Böhme vom Mobilen Bild- und Messdienst in Leipzig, der im Auftrag der Firma Freimuth die Sprengung für die Versicherung dokumentiert hat. Auch das Wetter hat mitgespielt, und das war sehr wichtig, denn bei Sturm hätte die Sprengung verschoben werden müssen, ein kontrollierter Gebäudeeinsturz hätte nicht durchgeführt werden können.
Als klar war, dass von der Baustelle keine Gefahr mehr ausgeht, durften die Gäste und die Helfer aufs Gelände und bestaunten die gefallenen Giganten. Die Menge an Schutt, die anfällt, ist beeindruckend. Doch abgefahren werden muss davon vermutlich nichts. „Es ist geplant, damit die Keller aufzufüllen. Laut den Berechnungen wird dafür tatsächlich alles gebraucht“, sagte Kraftwerks-Geschäftsführer Armin Fieber.
Mit dem Verlauf des Tages zeigte er sich hochzufrieden. „Ich habe zusammen mit dem Sprengmeister die Sprengung ausgelöst“, berichtete er und verriet gut gelaunt, dass es schon Ideen für die Nachnutzung des Geländes gebe. Bekannt ist bereits, dass auf einem kleinen Teil der Fläche ein Gaskraftwerk entstehen könnte. Die Planungen dafür laufen bereits, noch fehlt allerdings das entscheidende Signal der Bundesregierung. Neu ist die Idee, auch einen Batteriespeicher zu errichten. „Aber das ist noch Zukunftsmusik“, betonte Fieber.
Er lud die Helfer und Gäste des Tages zu einer „Abrissparty“ mit Würstchen und Getränken ein. Das entsprechende Equipment samt Getränkewagen stand in einer Garage bereit und wurde in Windeseile hervorgeholt und aufgebaut, und schon nach kurzer Zeit duftete es verführerisch nach frischem Grillgut.
Endgültig stillgelegt ist das Kohlekraftwerk Mehrum bereits Ende März, offiziell übergeben wurde das Gelände an die Firma Freimuth zum 1. Oktober. Der Rückbau selbst begann allerdings schon früher. So ist der Rückbau des Gipslagers schon weit fortgeschritten.
Ursprünglich war geplant, auch den Kühlturm in diesem ersten Schritt zu sprengen. Das sei laut Fieber jedoch an der Kurzfristigkeit des tatsächlichen Termins gescheitert. „Die Firma Tennet betreibt ja direkt unterhalb des Turms ein Umspannwerk. Dort soll aus Sicherheitsgründen dann vorsichtshalber der Stromfluss reduziert werden. Dafür hat die Zeit nicht ausgereicht“, erklärte Fieber.