In Hessen hat der 65-Jährige Wirtschafts- und Kartellrecht studiert, schon kurz nach dem Examen erhielt er ein Stellenangebot als Syndikusanwalt in einem Büro in Hannover. Dort war er zwei Jahre lang tätig, bevor er angesprochen wurde, ob er nicht in die niedersächsische Justiz gehen wollte. Und Lehmann-Schmidtke wollte.
Knapp drei Jahre lang war er Proberichter – bei der Staatsanwaltschaft Hannover, beim Amtsgericht Walsrode und beim Landgericht Verden. Dann folgte ein Angebot, in die Wirtschaftsstrafkammer nach Hildesheim zu gehen, wo er fast zehn Jahre lang blieb und einen absoluten Höhepunkt seiner Laufbahn erlebte: ein langwieriges Verfahren um Anlagebetrug. „Verbunden war dieser Fall mit zwei Dienstreisen nach Toronto in Kanada zur Zeugenvernehmung. Die Beschuldigten saßen in Haft, meine Kammerkollegen und ich haben wie Archäologen versucht, zu rekonstruieren, wann das Schneeballsystem zusammengebrochen ist“, blickt er zurück. „Die meisten fangen nämlich nicht als Betrüger an, sondern das Ganze kippt irgendwann von seriös zu unseriös.“
Am Peiner Amtsgericht werden solche Fälle freilich nicht verhandelt. „Wir haben hier den unteren Bereich der Kriminalität – eine hohe Anzahl häuslicher Gewalt, viele Verkehrsdelikte wie Trunkenheit am Steuer oder Fahren ohne Fahrerlaubnis“, zählt er auf. Viele Fälle hat er in seiner Laufbahn gesehen – vor der Station in Peine war er zwölf Jahre Direktor am Amtsgericht in Burgdorf. „Da gibt es die, die ihre Chance nicht genutzt haben und deren Existenz wie ein Kartenhaus zusammengestürzt ist. Und da gibt es etliche, die mit der Bewährungshilfe die Kurve gekriegt haben“, erzählt er.
Einen Fall, der ihm besonders in Erinnerung geblieben ist, erlebte er bereits früh in seiner Laufbahn, damals noch als Proberichter. „Es ging um gestohlene Schecks, einen davon hatte der Angeklagte eingelöst, offenbar mit einer gefälschten Unterschrift“, schildert Lehmann-Schmidtke. Der Angeklagte jedoch bestritt dies. „Ein Gutachter hat dann die Unterschrift untersucht und kam zu dem Schluss, dass es sich um die Originalunterschrift des Scheckinhabers handelte“, schildert er.
Daraufhin sei der Angeklagte freigesprochen worden. „Das hat mir gezeigt, dass man immer genau hinschauen muss. Ein ‚Ich-wette darauf dass er es war‘ reicht da nicht aus.“
Verbunden war seine Aufgabe mit der Verantwortung für 73 Mitarbeitende am Peiner Amtsgericht und einem hohen Arbeitspensum inklusive Bereitschaftsdiensten am Wochenende. „Dann muss man bis 21 Uhr täglich erreichbar sein, etwa um Haftbefehle auszustellen oder Einweisungen in die Psychiatrie anzuordnen.“
Abschalten und Stress abbauen gelang und gelingt dem Amtsgerichtsdirektor gut beim Laufen – erst kürzlich hat er den Halbmarathon in Bremen absolviert. Von der Politik wünscht er sich, dass die Gerichte personell so ausgestattet werden, dass sie ihre Verfahren zügig abschließen können. Denn was auf dem Papier als ausreichende Personaldecke gelte, werde in der Praxis durch Krankheit und Ausfall von Mitarbeitern schnell löchrig.
Und gibt es etwas, das er im Ruhestand vermissen wird? „Die vielen sozialen Kontakte, den Austausch mit den Kollegen“, sagt er. Vorgenommen hat er sich für die arbeitsfreie Zeit bislang noch nichts: „Ich bin neugierig, was kommt.“