Besonders schlimm wurde es für sie vor einigen Jahren im Zusammenhang mit der Grundschulen-Diskussion in der Gemeinde Ilsede. Damals ging es darum, ob die kleinen Grundschulstandorte in den Ortschaften erhalten bleiben oder zugunsten eines zentralen Schulneubaus zusammengelegt werden. Weigand positionierte sich für den Neubau und bekam dafür viel Gegenwind zu spüren. „Das war eine Situation, in der es persönlich wurde.“
Noch schlimmer traf es den damaligen Bürgermeister von Ilsede, der bedroht wurde und sogar Nägel in seinen Autoreifen entdeckte. „Es gab Mitglieder im Rat, die umgeschwenkt sind oder sich in der Abstimmung enthalten haben, weil sie dem Druck in ihrer Ortschaft nicht standhalten konnten“, bedauert Weigand.
Auch körperliche Attacken habe es bereits gegeben, nicht auf sie persönlich, aber auf zwei Mitglieder der Grünen – diese seien beim Plakatieren für den Wahlkampf von zwei Männern geschubst worden. „Diese Fälle nehmen zu, auch hier in Peine passiert so etwas“, sagt Weigand. „Anfeindungen und Beleidigungen kennen sehr viele Politiker auf kommunaler Ebene.“
Die Grünen-Politikerin führt das auf eine Verrohung der Gesellschaft zurück. „Es gab bisher einen moralischen Kompass, wie man miteinander umgeht.“ Dieser gehe mehr und mehr verloren, was Weigand auf den Einfluss der extremen Rechten zurückführt. „Es wird wieder mehr sagbar, man beruft sich einfach auf die Meinungsfreiheit.“
Die CDU-Kreistagsabgeordnete Marion Övermöhle-Mühlbach erhielt vor rund zehn Jahren anonyme Briefe. Auch andere Einwohner ihres Heimatorts erhielten sie. „Darin wurden Unwahrheiten über mich verbreitet“, erzählt die Ohlumerin. Wer der Verfasser der Briefe war, wusste die Kommunalpolitikerin: „Derjenige fand das, was ich tat, nicht gut. Ich würde meine eigenen Interessen verfolgen und nicht das Gemeinwohl im Blick haben“, lautete der darin erhobene Vorwurf.
Was dann folgte, hätte Övermöhle-Mühlbachs politischer Karriere schnell ein Ende bereiten können – wenn nicht ihr Umfeld ihr Rückhalt geboten hätte. „Ein SPD-Gemeinderatsmitglied hat mich aufgrund der verbreiteten Unwahrheiten in einer Ratssitzung angegangen. Das war sehr verletzend“, schildert sie. „Ich habe das alles über mich ergehen lassen.“ Ohne den Rückhalt durch ihren Mann und ihren Ziehsohn hätte sie in dieser Situation klein beigegeben und ihre Mandate niedergelegt, sagt sie heute. „Ich kannte es nicht, dass Menschen so sein können. Man kann anderer Meinung sein, aber trotzdem den Respekt bewahren.“
Für sie sei es ein Lernprozess gewesen, solche Dinge auszuhalten. „Man lernt das in Kursen, man lernt zu sondieren“, schildert sie. „Ich wünsche es keinem, so etwas zu erleben, und es wäre schön, wenn es so etwas nicht gäbe. Dann würden auch mehr Frauen in die Kommunalpolitik gehen“, glaubt sie. Auch Sexismus spiele dabei eine Rolle, sagt Övermöhle-Mühlbach. „Ob man das falsche Kleid anhat, ob man zu hübsch ist oder zu hässlich oder es wird einem unterstellt, dass man das Mandat nur gekriegt hat, weil man eine Frau ist.“
Dass Michael Kramer, Vorsitzender der CDU/FDP-Gruppe im Peiner Kreistag, nicht mehr im Telefonbuch verzeichnet ist und als Kontakt nur noch die CDU-Geschäftsstelle Peine angibt, hat einen guten Grund: Als er 1991 erstmalig in den Gemeinderat Lengede und den Peiner Kreistag gewählt wurde, bekam er Anrufe mit Morddrohungen. „Eine Anzeige bei der Kripo Salzgitter blieb erfolglos“, schildert er.
Zudem bekam Kramer in den 90er-Jahren bis etwa 2005 ein bis zwei Mal im Jahr anonyme Briefe mit Schmähungen. „Auf dich haben wir grad noch gewartet, gib endlich auf, geh zurück, wo du herkommst“, habe darin gestanden. „Jeder Umschlag ohne Absender sorgte bei mir für Unruhe“, erinnert sich der Politiker.
Das alles gehöre inzwischen aber der Vergangenheit an. „In den letzten 20 Jahren habe ich keine schlechten Erfahrungen gemacht“, betont er. Allerdings sei er in den „Sozialen Medien“ bewusst nicht vertreten. Die CDU Lengede sei im Internet und auf Facebook nur allgemein zu erreichen, eine direkte persönliche Ansprache ist nicht möglich.
Spitze Bemerkungen auf Facebook und andere Provokationen kennt der Peiner SPD-Unterbezirksvorsitzende und stellvertretende Landrat Matthias Möhle zwar auch, aber „ich bin tatsächlich in der relativ glücklichen Lage, Ziel keinerlei wirklich böser Anfeindung gewesen zu sein.“ Die Sprüche in den Sozialen Medien habe er bislang gut wegstecken können. „Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass, wenn ich auf Provokationen mit einer konkreten Einladung zum persönlichen Gespräch geantwortet habe, sich die Situation schlagartig entspannte.“
Dass die Sozialen Medien und das Internet beim Thema Anfeindungen und Beleidigungen eine große Rolle spielen, hebt SPD-Politiker Matthias Wehrmeyer hervor. Er ist Sprecher der rot-grünen Mehrheitsgruppe im Peiner Stadtradt. „Die Sozialen Medien sind immer ein Problem“, meint er. Dagegen hat Wehrmeyer ein einfaches wie effektives Konzept entwickelt: „Ich gucke mir diese Art von Nachrichten nicht an.“
Eine Zunahme an Anfeindungen und Bedrohungen von Kommunalpolitikern hat er nicht bemerkt: „Es ist bei uns qualitativ und quantitativ nicht mehr geworden“, sagt er. „Aufrufe zum Scheibeneinschmeißen hat es bei uns bislang nicht gegeben - und darüber sind wir froh.“