In der Nacht des 23. Novembers 2023 soll er gemeinsam mit einem 23 Jahre alten Freund Mülltonnen am Peiner Gymnasium am Silberkamp angezündet haben. Das Feuer griff auf den angrenzenden Holz-Unterstand über – und dann auf die Schulmensa.
Daneben sollen die beiden damaligen Freunde ab September 2023 außerdem an Wertstoffinseln gezündelt und verschiedene Müllcontainer in Brand gesteckt haben. Unter anderem waren die Inseln am Eulenring, an der Hagenmarktstraße und an der Hopfenstraße betroffen. Auf einem Privatgrundstück sollen sie auch noch einen Zaun angezündet haben. Schäden, die mehrere tausend Euro betragen.
Strafrechtlich mussten sich die beiden jetzt vor dem Amtsgericht wegen gemeinschaftlicher Brandstiftung und Sachbeschädigung verantworten. Primär interessierte sich der Richter für das Feuer am Silberkamp-Gymnasium und für die Frage: Wer hat welchen Tatbeitrag geleistet?
Die Frage bleibt bis zuletzt offen. Bereits bei der Polizei belastete der 23-jährige Angeklagte seinen damaligen Freund: Der Jugendliche habe sowohl die Idee gehabt, die Schule anzuzünden, als auch das Feuer in den Mülltonnen gelegt. Dafür habe der 16-Jährige Zippo-Benzin und ein Feuerzeug genutzt, behauptet der 23-Jährige. „Er hat gesagt, dass er irgendwann etwas Großes anzünden will“, sagte er aus. Er selbst habe nur Schmiere gestanden und aufgepasst, dass niemand kommt.
Doch der Jugendliche behauptet genau das Gegenteil: In seiner Version habe er Schmiere gestanden, sein damaliger Freund habe das Benzin oder Öl benutzt und Feuer gelegt. „Ich mag kein Feuer“, erklärt er dem Richter. Außerdem habe er sich vor dem 23-Jährigen gefürchtet. „Er war erst mein Vorbild, doch ich hatte Angst, wenn ich mich von ihm abwende, dass er meiner Familie etwas antut.“
Der 23-Jährige war Mieter beim Vater des Jugendlichen. So lernten sich die beiden kennen. Schwierige Familienverhältnisse und eine schlechte Beziehung zum eigenen Bruder schweißten die beiden Angeklagten zusammen. „Er war irgendwann das Idol, das ich nie hatte“, so der 16-Jährige. Die Stimmung kippte allerdings: Zwei Tage nach dem Brand habe der 23-Jährige den Jugendlichen bedroht. Er habe gesagt, dass er den 16-Jährigen totschlagen würde, wenn er etwas sage. „Mein Vater hat das auch gehört“, so der Jugendliche. Auch ob das stimmt, bleibt ungeklärt. Zudem ist unklar: Was waren die Gründe für die Brände. Keiner der beiden kann darauf eine Antwort geben.
Kritisch sieht der Richter allerdings, dass der Jugendliche immer wieder seine Aussage verändert. In der Polizeivernehmung beschuldigte er nicht nur seinen Freund, sondern auch einen ehemaligen Mitschüler. Wie es dazu kam, will der Richter wissen. Als Grund nennt der 16-Jährige die Angst vor seinem älteren Freund. „Ich habe das Gefühl, dass Du es nicht so genau mit der Wahrheit nimmst“, macht der Richter deutlich.
Eindeutig ist jedenfalls, dass das Handy des Jugendlichen tatsächlich zum Tatzeitpunkt am Silberkamp-Gymnasium war, wie die polizeilichen Ermittlungen ergaben. Ob das Handy des 23-Jährigen auch dort war, ist unklar. Der Beschluss sei zu spät gekommen, um die Daten auszuwerten, erklärt der damals ermittelnde Polizist aus Peine. Videos oder Bilder gibt es von den Taten nicht. An die Tatnacht könne sich der 23 Jahre alte Angeklagte auch nicht mehr so richtig erinnern. „Ich habe ein Alkoholproblem“, sagt er im Laufe des Prozesses. Ob er auch während der Taten betrunken war, will der Richter von dem Jugendlichen wissen. „Ja, er war schon ziemlich besoffen.“ Der 16-Jährige habe nur einmal etwas getrunken.
Die Jugendgerichtshelferin gibt Einblick in das bisherige Leben des 16-Jährigen. Schlechte Noten, Ärger mit Lehrern und Mitschülern. Ein schwieriges Familienverhältnis. Kontakt zum Jugendamt gebe es schon seit drei bis vier Jahren. Der Angeklagte sei schnell reizbar. In der Schule verweigerte er sich, irgendwann stand eine Diagnose: Der 16-Jährige leidet am Asperger-Syndrom. Psychiatrische Hilfe suchte er außerdem bereits in Königslutter.
Weil er sozial isoliert lebte und ein schlechtes Verhältnis zu seiner Familie sowie seinem Bruder hatte, sah er zu seinem damaligen Freund auf. Im Grunde strebe er nach Normalität. Vor und nach den Taten war er nicht mehr auffällig. Seine Straftaten habe er nur aus Verbundenheit begangen. Die kriminelle Karriere des 23-Jährigen begann indes schon 2017. Insgesamt neun Einträge liest der Richter aus seinem Bundeszentralregister vor, darunter mehrere Diebstähle und Körperverletzung. Im September 2022 kam er nach einer Haftstrafe von einem Jahr und acht Monaten aus dem Gefängnis. Das Urteil fällt nach knapp 20 Minuten. Letztendlich spielt es für den Gesetzgeber keine Rolle, wer von den beiden das Feuer tatsächlich gelegt hat. Beide gaben zu, an den Bränden beteiligt gewesen zu sein, mindestens Schmiere gestanden zu haben. Das bedeutet: Das Gericht sieht bei den ehemaligen Freunden eine Mittäterschaft als gegeben an. „Sicher ist, dass beide wussten, dass es zu dem Brand kommen würde“, so der Richter.
Deshalb verurteilte das Gericht den 23-Jährigen wegen vorsätzlicher Brandstiftung und Sachbeschädigung zu zwei Jahren und sechs Monaten Gefängnis. Sie Prognose des Angeklagten sieht schlecht aus. Er habe keine Perspektive, keinen Wohnsitz und auch keinen Job. Außerdem sei er in der Vergangenheit bereits öfter auffällig gewesen.
Auf den 16-Jährigen kommen 60 pädagogische Arbeitsstunden zu. Er muss drei Termine beim Pro-Aktiv-Center und einen Termin in der Reha-Abteilung der Arbeitsagentur für Arbeit wahrnehmen. Dort lernen Jugendliche, wie sie sich im Berufsleben einfinden und trotz gesundheitlicher Einschränkungen am Arbeitsleben teilhaben können. Zuletzt stehen dem Jugendlichen noch zwei Wochen im Dauerarrest bevor.
„Das ist quasi ein Knast-light“, ergänzt der Richter. Denn dem 16-Jährigen muss klar werden, dass es knapp war. „Das hätte auch eine Jugendstrafe werden können.“ Wenn er die Weisungen nicht wahrnimmt, droht ihm weiterer Dauerarrest.