Christian Wohlenberg, Landwirt aus Gadenstedt und stellvertretender Vorsitzender des Landvolks Braunschweiger Land, zog für die Proteste an sich eine positive Bilanz: „Mit unseren Demonstrationen konnten wir mehrere kleinere Ziele erreichen. Besonders sollten sie uns aber auf der Langstrecke nützen, um unseren Anliegen in der Bundesregierung Gehör zu verschaffen.“ Das habe sich mit der Auflösung der Bundesregierung aber vorerst erledigt. „Nicht zufrieden waren wir mit der Abschaffung der Diesel-Rückvergütung“, so Wohlenberg. Und auch bei der versprochenen Entbürokratisierung gebe es noch viel Luft nach oben. „Ich hoffe, dass dies nach der Wahl weiter vorangetrieben wird. Und vielleicht bekommen wir ja auch unsere Agrar-Diesel-Rückvergütung zurück.“
Da die Landwirtschaft sehr heterogen ausfalle, gebe es einen umfangreichen Katalog an Forderungen. „Die Aussetzung der Stilllegungspflicht für 2024 hat jedenfalls ein wenig geholfen“, urteilt Wohlenberg. „Im Großen und Ganzen sind wir aber mit der Entwicklung nicht zufrieden.“ Ein wichtiger Punkt sei der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit gegen internationale Kollegen. „Was bringt es, wenn wir hier strenge Verordnungen treffen, die die Tierhaltung einschränken, nur damit wir mehr Schweinefleisch aus Spanien importieren, wo die Bedingungen für die Tiere deutlich schlechter sind“, hinterfragt Wohlenberg. „Der Import von spanischem Schweinefleisch ist um 300 Prozent gestiegen.“
Ein weiterer wichtiger Aspekt sei der Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln. „Über Reduktionen können wir reden, über Verzicht nicht“, so der Gadenstedter. „Wir haben durch den Klimawandel mit neuen und größeren Herausforderungen zu kämpfen.“ Ein Beispiel sei die durch den Klimawandel begünstigte Verbreitung der Schilf-Glasflügelzikade, die besonders für Kartoffeln und Rüben gefährlich sei.
„Wir richten unsere Forderungen an alle Parteien, egal welcher Couleur“, so Wohlenberg. Das Landvolk Braunschweiger Land veranstaltet am 6. Februar eine Podiumsdiskussion in Wolfenbüttel, zu der Agrarsprecher aller Parteien erwartet werden. „Dann werden wir sehen, wie sich die Parteien positionieren“, führt Wohlenberg aus. „Und nach der Wahl müssen wir dann sehen, welche Forderungen in einen Koalitionsvertrag einfließen.“ Erneute Demonstrationen schließt er nicht aus.
„An unserer Lage hat sich seit den Protesten leider nicht viel verändert“, bedauert auch der Peiner Kreislandwirt Wilfried Henties. „Aber: Wir haben Aufmerksamkeit auf unsere Forderungen und Probleme gelenkt.“ Leider sei von der Regierung nicht genügend unternommen worden, um der Landwirtschaft den Rücken zu stärken. Gerade der stufenweise Wegfall der Steuerbegünstigung für Agrardiesel schmerze. „Wir müssen uns gegen internationalen Wettbewerb behaupten – und überall in Europa gibt es solche Förderungen“, verdeutlicht Henties. Er wünsche sich fachliche Kompetenz statt Ideologie in der Agrarpolitik.
Von großer Bedeutung sei nach wie vor die Diskussion um Glyphosat. „Vernünftig eingesetzt, sind synthetische Dünge- und Pflanzenschutzmittel die vernünftigste Entscheidung“, ist Henties überzeugt. „Sie sichern gleichmäßige Ernten und schützen vor Schädlingen.“ Die niedersächsischen Landwirte hätten große Kompromissbereitschaft gezeigt: „Beispielsweise haben wir den Stickstoffüberschuss innerhalb von drei Jahren auf Null gesenkt“, führt der Kreislandwirt aus. „Leider werden die Bemühungen nicht wertgeschätzt. Es heißt immer nur ‚das ist zuwenig‘.“ Das mangelnde Fachwissen in der Regierung habe für einen Vertrauensverlust der Landwirte gesorgt. „Wir hoffen nun natürlich, dass mit einer neuen Bundesregierung auch eine neue Agrarpolitik mit mehr Fachwissen einzieht“, sagt Henties. „Sollte sich nichts ändern, gehen wir wieder auf die Straßen und können innerhalb von drei Tagen Berlin lahmlegen.“
Auch der Peiner Landwirt Hagen Karl Werner Heuer ist mit den Ergebnissen des Agrar-Paketes der Bundesregierung nicht zufrieden. „Das war eher ein Agrar-Paketchen.“ Der Verzicht auf eine zusätzliche Kfz-Besteuerung sei eine richtig Entscheidung gewesen, die stufenweise Abschaffung der Agrar-Diesel-Rückvergütung hält auch er für einen Fehler. Insgesamt habe man deutlich mehr erwartet. „Die versprochene Verringerung der Bürokratie hat leider nicht funktioniert“, kritisiert Heuer. Die Steuerstreckung über drei statt bisher zwei Jahr hingegen sei hilfreich: „In der Landwirtschaft gibt es erntebedingt schwankende Gewinne“, so Heuer. „Mit der Steuerstreckung über drei Jahre können wir Kurven besser glätten und Ausreißer ausgleichen.“