Schätzungsweise 200 Menschen waren zum jüdischen Mahnmal an den Ort gekommen, an dem früher eine Synagoge in Peine stand. Sie alle wollten den Millionen Opfern des Nationalsozialismus gedenken. Vor 80 Jahren waren am 27. Januar die Überlebenden des Vernichtungslagers Auschwitz von Soldaten der Roten Armee befreit worden.
Es seien Zeiten, in denen Mitglieder der AfD Begriffe wie „Remigration“ und „Abschiebetickets“ für Migranten nutzten, so Baumeister. „Wir kennen das schon″, sagte er und warb um eine große Beteiligung bei der im Anschluss stattfindenden Demonstration „Demokratie wählen“ des „Bündnis für Toleranz“.
Auch die stellvertretende Superintendentin Marion Schmager stellten den Bezug zu aktuellen Ereignissen in der Welt her: „Das Massaker der Hamas in Israel im Oktober 2023, die weit verbreitete Gleichgültigkeit und die Anfeindungen weltweit gegen Jüdinnen und Juden haben ihr Sicherheitsgefühl schwer erschüttert“, sagte sie. Antijüdische Haltungen seien auch in der Mitte der Gesellschaft zu finden.
Es sei höchste Zeit, sich bewusst zu machen, dass Demokratie, eine offene Gesellschaft und ein Rechtsstaat nicht selbstverständlich seien, sondern das tägliche Engagement aller benötige.
Der Satz des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ sei eine Lehre aus Nazidiktatur und Holocaust. Er sei das Fundament, auf dem die Demokratie stehe und über Jahrzehnte Grundkonsens der politischen Parteien gewesen. Doch nun gebe es Kräfte, die daran rüttelten und Unterschiede zwischen den Menschen heraufbeschworen.
„Kräfte, die Menschen aus unserem Land deportieren wollen. Kräfte, die heute leider in den meisten Parlamenten sitzen“, so die stellvertretende Superintendentin. „Auch wenn die Feinde der Demokratie demokratisch gewählt sind, sind sie noch lange keine Demokraten.“
„Der Nationalsozialismus hat sich vorsichtig, in kleinen Dosen, durchgesetzt – man hat immer ein bisschen gewartet, bis das Gewissen der Welt die nächste Dosis vertrug”, zitierte sie sinngemäß den österreichischen Schriftsteller Stefan Zweig, der sich 1934 ins Exil geflüchtet hatte. Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung habe tatenlos weggesehen, bei dem, was mit ihren Mitmenschen passierte.
Heute würden in immer mehr Ländern Menschenrechte mit Füßen getreten und die Grundpfeiler der Demokratie eingerissen, zum Vorschein komme Rassismus und Antisemitismus. „Viel zu lange wollten wir in Deutschland das alles nicht so recht wahrhaben“, gab Schmager zu bedenken.
Jetzt sei es Zeit aufzuwachen: Immer offensichtlicher sei, wie rechtspopulistische Parteien mit allen Mitteln versuchten, das Vertrauen in die Demokratie zu zerstören. „Mit billiger Stimmungsmache, Polemik und Verschwörungsmythen, etwa dem vom großen Austausch. Sie machen das, was in Krisenzeiten schon immer gang und gäbe war. Sie suchen nach Schuldigen und machen Stimmung gegen sie.“
Wer sich erinnere, sehe auch die Bedrohungen der jetzigen Zeit klarer. „Einen Schlussstrich unter das schreckliche Geschehen des Holocausts darf es nicht geben, weil das gleichbedeutend mit Vergessen wäre. Und wer vergisst, der ist in steter Gefahr, die Geschichte zu wiederholen“, mahnte sie.
Im Anschluss wurden Blumenkränze am Mahnmal niedergelegt. Musikalisch umrahmt wurde die Gedenkveranstaltung von Helmut Horneffer, der seinen Gesang auf der Gitarre begleitete.