In dem Film „Elaha“ geht es um die 22-jährige Deutsch-Kurdin Elaha, die bald heiraten soll. Mit allen Mitteln versucht sie, dafür ihr Jungfernhäutchen wiederherstellen zu lassen, um für ihre Hochzeit ihre Unschuld vorzeigen zu können. Auf ihrer Suche nach einer Lösung wird sie mit fundamentalen Fragen zur weiblichen Identität und Freiheit konfrontiert.
Die Idee für den Film entstand aus einer Wut heraus, erklärt die Regisseurin Milena Aboyan: „Ich war sehr wütend über Verhältnisse, die gegenüber Frauen herrschten und immer noch herrschen. Diese Wut hat mich dazu getrieben, diese spezifische Thematik filmisch zu verarbeiten. Dabei war es mir sehr wichtig, diese Thematik in den Vordergrund zu bringen.“
Zudem gab es auch Schwierigkeiten, dieser sensiblen Thematik gerecht zu werden und auch die kurdische Community trotz der Problematik nicht schlecht darzustellen. „Kurz bevor der Dreh anfing, hab ich ganz oft Angst gehabt, weil ich mir dachte, vielleicht mögen nicht alle diesen Film, vielleicht könnte die kurdische Community fragen ‚Warum dieser Film und diese Thematik?' Das ist aber glücklicherweise nicht eingetreten, ich habe ganz viel Support von der kurdischen Community bekommen, sie haben uns auch vor den Dreharbeiten mit Komparsen ausgeholfen", erzählt Aboyan.
Dennoch war es Aboyan wichtig, bei der sensiblen Thematik rund um die kulturelle Wichtigkeit des Jungfernhäutchens, den richtigen Ton anzuschlagen. „Mein Problem war, dass ich einerseits diese Geschichte erzählen musste, ich aber andererseits die kurdische Community, zu der ich auch gehöre, nicht schlecht darstellen wollte“, betont Aboyan.
Diese Zerrissenheit hat sie auch im Film durch die Protagonistin hervorgebracht: „Mir war ein Satz aus dem Film sehr wichtig, als Elaha sagt: ‚Ich liebe meine Familie, ich liebe meine Kultur, ich bin nur mit ein paar Regeln nicht einverstanden‘, und diese Regeln haben grundsätzlich nichts mit der Kultur zu tun, sondern es ist das Patriarchat und ein grundsätzliches Problem, was sehr viele Frauen betrifft.“
Auch der Gynäkologin, Christine Rückum-Savas ist die Wichtigkeit des Jungfernhäutchens in einigen Kulturen bekannt: „Ich erlebe auch Diskussionen darüber, und ich kenne auch die Suche nach Hilfsmitteln diesbezüglich.“ In einigen Kulturkreisen ist es wichtig, dass, vor allem Frauen, vor der Ehe keinen Geschlechtsverkehr haben. Dabei steht das Jungfernhäutchen für ihre Keuschheit und den Beweis, ob sie noch jungfräulich sind. Doch stimmt das überhaupt?
„Das Jungfernhäutchen in dem organischen Sinne, wie es oft vermittelt wird, gibt es nicht. Es gibt da Gewebe und ob man das jetzt Hymen oder Jungfernhäutchen nennt, das ist egal“, betont Rückum-Savas. Bei dem Hymen handelt es sich um eine Art kranzförmige Schleimhaut, die bei manchen Frauen gar nicht vorhanden ist. Manche Frauen haben dann Angst vor Verurteilungen und suchen nach Wegen, das Hymen wiederherzustellen. „Es wird schon gefragt, ob es die operative Wiederherstellung des Jungfernhäutchens gibt, oder ob es andere Möglichkeiten gibt“, bestätigt die Gynäkologin.
Dass viele Frauen sich deshalb einschränken, findet sie schade: „Dass man keinen Sex vor der Ehe haben möchte, dass muss jeder selbst entscheiden und das will ich auch gar nicht bewerten. Aber diese Einschränkungen, die daraus folgen, finde ich schlecht und schade.“ Dem stimmten auch viele Frauen aus dem Publikum zu, die im Anschluss Fragen an die Regisseurin und die Gynäkologin stellen konnten.
Dabei verriet die Regisseurin auch schon ihr nächstes Projekt: „Ich arbeite im Moment an einer Literaturverfilmung, der Film heißt ‚Drei Kameradinnen‘. Darin geht es um drei junge Frauen, die seit Kindheitstagen befreundet sind und sehr früh Hass und Ausgrenzung erleben mussten. Wenn alles klappt, werden wir den Film voraussichtlich nächstes Jahr veröffentlichen."
■ An der Organisation der Veranstaltung waren außerdem die Gewerkschaften Verdi, IG Bergbau, Chemie Energie (BCE) sowie die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) beteiligt.