Bereits am Samstagmorgen war das Gebiet rund um das Kraftwerkt abgesperrt. Auf das Gelände kamen nur diejenigen, die eine Genehmigung dafür hatten. Allerdings versammelten sich rund um den abgesperrten Bereich zahlreiche Schaulustige, die sich das Spektakel nicht entgehen lassen wollten. Gegen 10 Uhr versammelten sich die geladenen Gäste auf einer etwa 500 Meter vom Kühlturm entfernten Wiese, von der aus sie einen guten Blick hatten.
Dann war Warten angesagt, denn bis zur Sprengung dauerte es noch eine Stunde. Armin Fieber, Geschäftsführer der Kraftwerk Mehrum GmbH, blickte ganz gelassen in Richtung des Kühlturms. Für ihn war klar, dass mit höchster Wahrscheinlichkeit alles nach Plan verlaufen wird. Vorab habe es noch etliche Diskussionen mit Stromnetzbetreiber Tennet gegeben, da sich deren Umspannwerk nur etwa 75 Meter neben dem Kraftwerksgelände befindet. Tennet habe unter anderem befürchtet, dass Brocken des gesprengten Kühlturms das Umspannwerk treffen könnten. Diese Bedenken habe man aber aus der Welt schaffen können.
650 Löcher hatten Reisch und sein Team in den Kühlturm gebohrt, um die Sprengladungen darin zu platzieren. 125 Kilogramm wogen diese insgesamt. Rund um den Turm wurden Sprengschutzmatten platziert, die aus alten Lkw-Reifen bestanden. Die Füße des Turms seien zusätzlich abgesichert worden, sagt Fieber. „Da sollte nichts durchgehen.“
Um 10.58 Uhr war am Samstag ein erster lauter Knall zu hören. Es handelte sich aber noch nicht um die Sprengung selbst: Tiere, die sich in der Nähe des Kraftwerks aufhielten, sollten verschreckt werden und sich in Sicherheit bringen.
Um Punkt 11 Uhr folgte nach einem laut gerufenen „Achtung!“ und einem Countdown das, worauf alle gewartet hatten. Der riesige Kühlturm sackte in sich zusammen, die Detonation war in 500 Metern Entfernung erst zu hören, als der Zusammensturz schon begonnen hatte. Eine leichte Druckwelle war ebenfalls zu spüren. Nur wenige Sekunden später war von dem 12.000 Tonnen schweren Bauwerk nichts mehr zu sehen. Da mehrere mit Wasser befüllte Behälter, die am Turm angebracht waren, mit gesprengt wurden, breitete sich die Staubwolke nicht weit aus. Zurück blieb lediglich ein Berg von Schutt. Zu hören war der Knall auch im größeren Umkreis, unter anderem im rund 15 Kilometer entfernten Duttenstedt.
So gelassen, wie er vor dem Ereignis war, war Fieber auch danach. Für ihn ist nach der Sprengung vor der Sprengung. Denn als Nächstes soll das 120 Meter hohe Kesselhaus des Kraftwerks dran glauben. Bis das passieren kann, seien aber noch viele Schritte nötig, sagt der Geschäftsführer. Zwar hoffe er, dass die Sprengung noch in diesem Jahr erfolgen kann, realistischer sei aber wohl 2026.
Bereits beseitigt sind zwei einst 60 Meter hohe Aschesilos. Dies geschah im Oktober des vergangenen Jahres. Eigentlich hätte schon damals der Kühlturm parallel dazu gesprengt werden sollen, doch seien noch weitere Vorbereitungen nötig gewesen, wie Fieber zu dem Zeitpunkt erklärte.
Der Plan lautete danach, den Kühlturm gemeinsam mit dem 250 Meter hohen Schornstein dem Erdboden gleichzumachen. Doch Letzterer muss sich nun sozusagen am längsten von allen zu sprengenden Bauwerken des Kraftwerks gedulden. Aktuell rechnet Fieber mit einem Sprengtermin zum Jahreswechsel 2026/2027.
12.000 Tonnen Beton und Stahl blieben nun nach der jüngsten Sprengung des Kühlturms zurück. Es sei vorgesehen, diese Materialien voneinander zu trennen, erklärt Fieber. „Denn der Beton soll im Straßenbau wiederverwertet werden.“ Auch der Stahl werde verkauft und recycelt.
Endgültig stillgelegt wurde das 1979 in Betrieb genommene Kraftwerk Mehrum im März des vergangenen Jahres. Vom Netz gehen sollte es eigentlich sogar schon 2021, aus technischen Gründen wurden aber weiterhin Reservekapazitäten vorgehalten. 2022 kam es dann zur Energiekrise, das Mehrumer Steinkohlekraftwerk wurde als erstes von 14 Werken in Deutschland vorübergehend zurück in den „aktiven Dienst“ geholt, um die Energieversorgung zu unterstützen.
Schon lange gibt es den Plan, in Zukunft auf dem Gelände ein Gaskraftwerk zu errichten - den Bau hat die Kraftwerk Mehrum GmbH längst beantragt. Ob es zu einer Umsetzung kommt, ist allerdings ungewiss.