Blutige Nacht in Peine: Angeklagte sprechen von Notwehr
Vor dem Landgericht Hildesheim hat ein Prozess gegen zwei junge Männer begonnen, der viele Fragen aufwirft

Vor dem Landgericht Hildesheim hat der Prozess gegen zwei junge Männer, 21 und 22 Jahre alt, begonnen.Foto: Julian Stratenschulte
Peine/Hildesheim. Vor dem Landgericht Hildesheim hat der Prozess gegen zwei junge Männer begonnen. Ihnen wird versuchter Mord, gefährliche Körperverletzung, Verstöße gegen das Waffengesetz und Bedrohung vorgeworfen. Die Taten ereigneten sich im Herbst 2021 in Peine. Nach dem ersten Verhandlungstag bleiben zumindest in einem der Fälle Zweifel: Handelte es sich um einen gezielten Angriff oder Notwehr?

Im September 2021 soll der heute 22-Jährige einem Zeugen mit einem Butterflymesser aufgelauert und ihn bedroht haben. Grund sei ein eskalierender Streit mit einem Bekannten seiner Ex-Freundin gewesen. Dieser habe sich über Whatsapp hochgeschaukelt. Am nächsten Morgen habe er den Zeugen am Bahnhof in Peine mit einem Messer konfrontiert und „Lauf!“ gerufen. Er habe sich in einer Ausnahmesituation befunden und sei stark drogenabhängig gewesen.

Im Mittelpunkt der Verhandlung steht jedoch der spätere Vorfall in der Nacht zum 28. November 2021. Beide Angeklagte gaben an, es sei auf dem Weg zur Wohnung des Jüngeren zu einem ersten Aufeinandertreffen mit der später betroffenen Gruppe gekommen.

Dabei, so der 21-jährige Angeklagte, sei er im Vorbeigehen ohne Vorwarnung geschubst worden. Sein 22-jähriger Begleiter sei von einem der Männer auf den Hinterkopf geschlagen worden. Die Situation habe sich zunächst beruhigt, bevor es Minuten später vor der Haustür des Jüngeren zu einer erneuten, eskalierenden Konfrontation gekommen sei.

Der 21-Jährige schilderte, dass er bereits erfolglos versucht hätte, die Haustür zu öffnen, als sich die drei Männer näherten. Nach seinen Angaben fragte sein Begleiter: „Was sollte das gerade?“, woraufhin der sofort mit einem Faustschlag gegen den Kopf attackiert worden sei. Er selbst habe dann mit einem Teleskopschlagstock versucht, einen zweiten Angreifer auf Abstand zu halten, um seinem Begleiter zu helfen. Ein Messer, das er ebenfalls bei sich getragen habe, habe er zwar gezogen, aber nicht eingesetzt.

Der 22-Jährige wiederum gab an, nach mehreren Schlägen durch den Angreifer in Panik geraten zu sein. Er habe sich aus einer hockenden Verteidigungshaltung heraus mit dem Messer verteidigt, es geöffnet und zugestochen. Er und der Zeuge seien dabei übereinander gestürzt. Während er über dem Angreifer lag, habe er gefragt, ob der „genug“ habe. Daraufhin sei die Auseinandersetzung beendet gewesen. Die beiden Angeklagten hätten sich in den inzwischen geöffneten Hausflur zurückgezogen.

Die genaue Anzahl der Stiche konnte der Angeklagte nicht benennen. Auch er gab an, sich nur bruchstückhaft an Einzelheiten erinnern zu können.

Fotos der Polizei zeigten Blutspuren im Hausflur und ein offenes Messer auf dem Boden, das dem 21-Jährigen gehörte. Das Messer, mit dem die Stichverletzungen verursacht wurden, blieb dagegen verschwunden. Die Richterin äußerte Zweifel, ob die Aussagen des 22-Jährigen mit dem tatsächlichen Verletzungsbild übereinstimmen. Auf die Nachfragen der Richterin erklärte er schließlich, aus Angst gehandelt zu haben.

Beide Angeklagte betonten, von der Gruppe überrascht und verfolgt worden zu sein. Der Anwalt des 22-Jährigen sprach von Panik und Todesangst bei seinem Mandanten, der nun sichtbar emotional angefasst war.

Der erste Verhandlungstag hinterlässt offene Fragen. Wer hat den Hausflur geöffnet? Wo ist die Tatwaffe? Handelten die Angeklagten aus Notwehr? Weitere Zeugen sollen bis 14. Mai gehört werden.

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