Wer dieser Tagen durch die Peiner Innenstadt spaziert, sieht es mit eigenen Augen: Die City ist im Wandel. Da wird umgebaut, umgezogen, geschlossen und manchmal auch neu eröffnet. Immer wieder verschwinden altgediente Läden. Nicht selten reißen die Leerstände regelrechte Lücken ins Stadtbild.
„Die Innenstadt wird sich wandeln. Alle Innenstädte vollziehen aktuell eine Transformation“, erklärt Anja Barlen-Herbig, Geschäftsführerin von Peine Marketing. Was zunächst wie ein strategisches Mantra klingt, ist tatsächlich Teil einer Vision: Eine Innenstadt, die nicht nur zum Shoppen da ist, sondern zum Erleben, Zusammenkommen, Genießen. Multifunktional, weltoffen, lebendig. Soweit die Theorie. In der Praxis aber bedeutet dieser Wandel oft erst einmal: leere Schaufenster. Wie bei der markanten Immobilie an der Bahnhofstraße, die vielen noch als Modehaus Diekmann ein Begriff sein dürfte. Später zog hier das Bekleidungshaus Adler ein, zuletzt das Möbelhaus Levada. Dann kam der Herbst 2023 und mit ihm die Schließung. Ein Mix aus hohen Heizkosten, Inflation, Transportproblemen und großzügigem Kundenservice ließ dem Unternehmen keine Chance. Das 1.735 Quadratmeter große, markante Gebäude stand seither leer. „Schwer vermittelbar“, wie der Insolvenzverwalter damals sagte.
Doch jetzt wird alles anders. Und das im besten Sinne: Das Erdgeschoss des Gebäudes bekommt einen neuen Mieter und mit ihm eine neue Geschichte.
Am 2. Juni 2025, pünktlich um 10.30 Uhr, feiert ein internationaler Supermarkt seine Eröffnung. Kajin Murad, 30 Jahre jung, ist der Mann hinter dem Projekt. 2013 aus Syrien nach Deutschland geflüchtet, fand er in Peine nicht nur ein Zuhause, sondern auch eine neue berufliche Perspektive. Seit 2021 betreibt er bereits ein kleines Lebensmittelgeschäft, das nur zwei Häuser weiter zu finden ist. Doch das wurde irgendwann einfach zu klein.
„Wir kommen gut mit unseren Kunden klar“, sagt er bescheiden. Was er meint: Auch viele Deutsche kaufen bei ihm ein, neugierig auf neue Gewürze aus dem Nahen Osten, frisches Gemüse oder auf die schlichte Herzlichkeit, mit der die Gäste hier empfangen werden. Der neue Markt ist ein Herzensprojekt und ein echtes Familienunternehmen. Sein Onkel Abdurrahman Acar hilft bei allem, was so anfällt: von Behördengängen bis zur Wandfarbe. „Hier kommt endlich wieder Leben rein“, sagt er mit Blick in das große Erdgeschoss des alten Diekmann-Geschäfts und lächelt stolz.
Hier entsteht nicht einfach ein Laden, sondern ein kleiner Kosmos der Vielfalt. Im Eingangsbereich empfängt bald ein Bäcker mit türkischem und ukrainischem Brot die Besucher. Gleich daneben ist ein kleiner Sitzbereich zum Verweilen. Vortagsbäcker Akim Hüssein von der anderen Straßenseite übernimmt die Teigwaren.
Die Frische-Abteilung bietet exotisches Obst, knackiges Gemüse und alles, was das internationale Herz begehrt. Rechts davon ist schon eine großzügige Fleischtheke samt Kühlraum und einem eigenen Bereich für frischen Fisch installiert. Gegenüber reihen sich über 15 Meter Kühlregale, in der Mitte des Raumes stehen die Regale für das Trockensortiment schon bereit.
Ein Highlight für die Mitarbeitenden der Stadt und ein echtes Zugeständnis an die moderne Kundschaft wird die Salatbar. „Das war ein Wunsch der Stadt“, lächelt Acar und natürlich wird auch der erfüllt.
Dass all das trotz Herausforderungen möglich wurde, liegt auch an einem bisschen Glück und viel Engagement. „Eigentlich war die Miete zu hoch“, gibt Abdurrahman Acar offen zu. Doch die Maklerin kam ihnen entgegen, und so konnte das Projekt Wirklichkeit werden. Genutzt wird zunächst „nur“ das Erdgeschoss mit seinen rund 450 Quadratmetern. Doch wer weiß? Wenn es läuft, kann ja noch aufgestockt werden. Ein echter Trumpf für das neue Geschäft ist die Lage. Der Peiner Bahnhof ist nur ein Katzensprung entfernt, die Fußgängerbrücke sorgt für Laufkundschaft und selbst Parkplätze gibt es hinter dem Gebäude. Für Peine ist dieser Markt nicht nur ein neuer Ort zum Einkaufen, sondern ein Zeichen. Dafür, wie Integration gelingen kann. Wie Vielfalt bereichert. Und wie ein Stück internationales Flair der Innenstadt neues Leben einhaucht.
„Wir müssen jetzt noch mal richtig Vollgas geben“, betont Kajin Murad. Die Fenster sind noch zugehängt. Die Klebe-Reklame lässt noch auf sich warten. Aber das ist nur ein kleines Detail auf dem Weg zur großen Eröffnung.
Und der alte Laden zwei Türen weiter? Auch der bleibt nicht lange leer. Dort zieht ein Beautysalon ein, Eröffnung ist für den 1. August geplant. „Für das Geschäft gab es einige Anfragen“, verrät Abdurrahman Acar. Es ist ein gutes Zeichen für eine Innenstadt, die sich wandelt. Und die, wenn alles gut läuft, bald nicht nur multifunktional, sondern auch ein bisschen internationaler ist.