Peines Händler haben
die Zukunft im Blick
Was bedeutet der Wandel der Innenstadt für die Menschen,
die hier Tag für Tag ihre Läden öffnen?

Die Peiner Innenstadt soll weiter „aufblühen“.Foto: ralf Büchler
Peine. In der Peiner Innenstadt tut sich was: Während ein Geschäft schließt, öffnet bereits ein anderes. Wie der neue internationale Supermarkt, der am 2. Juni ins ehemalige Diekmann-Gebäude zieht. Und genau darin liegt die Crux: Wandel ist allgegenwärtig. Mal spürbar, mal leise, mal kreativ, mal frustrierend. Um diesen Wandel greifbar zu machen, hat die PAZ Geschäftsleute in Peine gefragt: Was bewegt Sie aktuell? Was bremst, was beflügelt Sie? Aus ihren Antworten ist ein facettenreiches Bild entstanden. Zwischen Krise, Kreativität und Kaffee.

In einem Punkt sind sich alle Befragten einig: Das Einkaufsverhalten der Menschen hat sich massiv verändert. Die klassische Laufkundschaft – früher Garant für volle Läden – ist heute Mangelware. Michele Herberger von „Herby’s Hemp Farm“ beschreibt es so: „Viele kommen gezielt zu uns, statt einfach mal reinzuschneien.“ Auch Michaela Schade vom Café Mitte spürt die Zurückhaltung: „Früher war die Innenstadt an bestimmten Tagen voll. Heute ist das total unberechenbar.“

Norbert Diekmann von „Nobbis Tabakwelt” beobachtet einen Strukturwandel: „Heutzutage muss man flexibel sein. Der Spruch ‘Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit‘ trifft es ziemlich gut. Es wird immer schwieriger, sich auf die Kundschaft einzustellen.“ Gleichzeitig bilden gestiegene Betriebskosten, etwa durch Mindestlöhne und gestiegene Energiepreise, neue Herausforderungen für die Kaufleute. Es ist eine Gemengelage, die viele Geschäftsleute vorsichtig werden lässt. Trotzdem betont Lars Kückelhahn vom Spielwarenladen Eulies: „Wer viel Zeit und Energie investiert, wird belohnt.“

Einst gefürchtet, heute oft clever integriert: Der Onlinehandel ist in Peine angekommen – als Ergänzung, nicht als Ersatz. Nobbis Tabakwelt verkauft Zigarren online, Herby’s Hemp Farm erreicht neue Kundschaft über den Webshop. Spielwaren-Eulies verzichtet hingegen bewusst auf den Versandhandel, um das stationäre Geschäft zu stärken.

Jan-Philipp Colberg, Geschäftsführer bei Schichtwechsel und Gildemeister der Kaufmannsgilde, bringt es auf den Punkt: „Die Stärke des lokalen Handels liegt in der persönlichen Beziehung zur Kundschaft und in der Atmosphäre. Wenn wir das digital verlängern, entsteht ein echtes Alleinstellungsmerkmal.“ Der Trend: weg vom Preiskampf, hin zu mehr Qualität und Beratung.

Leerstand bleibt auch weiterhin ein brisantes Thema. „Wenn viele Schaufenster leer sind, wirkt die Innenstadt schnell leblos“, sagt Michele Herberger. Michaela Schade warnt: „In Kleinstädten fällt das noch mehr auf als etwa in Hannover oder Braunschweig.“ Doch es gibt auch Lichtblicke: Lars Kückelhahn lobt die Peiner Vermieter für ihre Kompromissbereitschaft. Viele seien offen für faire Mieten und Zwischennutzungen.

Der neue Supermarkt im Diekmann-Haus ist Symbol und Hoffnung zugleich: Leerstand als Möglichkeit für neue Konzepte. Die Kaufmannsgilde setzt sich aktiv dafür ein, entstehende Lücken zu füllen, so Colberg.

Weniger Bürokratie, schnellere Genehmigungen für Aktionen. Das wünschen sich gleich mehrere Geschäftsleute. „Es kann nicht sein, dass man zwei Wochen auf eine Genehmigung für eine Werbeaktion außerhalb der Geschäftsräume wartet“, sagt Diekmann. Michaela Schade wünscht sich mehr persönlichen Austausch: „Vielleicht kommt einfach mal jemand vom Stadtmarketing vorbei und fragt, wie es läuft.“ Gleichzeitig wird aber viel Positives berichtet. Das Stadtmarketing unter Leitung von Anja Barlen-Herbig wird gelobt, ebenso die gute Zusammenarbeit mit der Stadt. „Es wird nicht nur geredet, es wird gemacht“, sagt Colberg.

Zwei verkaufsoffene Sonntage im Jahr. Mehr ist in Peine nicht erlaubt. Für viele Geschäftsleute ist das zu wenig. „Ein offener Sonntag bringt viel Publikum aus anderen Städten“, betont Michaela Schade. Auch Lars Kückelhahn sieht hier großes Potenzial. Der Wunsch: mehr Flexibilität, mehr Events, mehr Leben in der City. Auch am Wochenende.

Statt zu jammern, handeln viele. Herby’s Hemp Farm bietet Events und Beratungstage an, das Café Mitte bringt regelmäßig neue Getränkekarten heraus. Bei Eulies dreht sich alles um Storytelling: „Wir erzählen Geschichten statt nur Produkte zu zeigen.“ Die meisten setzen inzwischen auch auf Social Media – mal mit Shop, mal ohne, aber immer mit dem Ziel: Mehr Sichtbarkeit schaffen.

Gildemeister Colberg, der selbst zahlreiche Events und Aktionen in seinem Geschäft durchführt, sagt: „Viele unserer Mitglieder denken um, mit neuen Konzepten, Kooperationen oder Veranstaltungen.“ Das Credo: nicht nur reagieren, sondern gestalten.

Der Wandel ist da. Aber wie damit umgehen? Die klare Antwort der Peiner Geschäftsleute: mit Persönlichkeit und Spezialisierung. Wer ein gutes Konzept hat, der wird gefunden. Und wer zusätzlich digital sichtbar ist, kann sich auch gegen größere Plattformen behaupten.

Vor allem aber brauche es Gemeinschaft. Das wurde im Gespräch mit allen Beteiligten deutlich. Die Kaufmannsgilde, Peine Marketing, Vermieter, Stadt und Händler – wenn sie gemeinsam denken und handeln, kann Peine seine Innenstadt nicht nur erhalten, sondern weiterentwickeln. Dabei geht es nicht um Nostalgie, sondern um Zukunft, die genauso vielfältig sein darf wie die Menschen, die hier einkaufen, flanieren und sich treffen.

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