Hauptmänner und Adjutanten der Bürger-Korporationen zählen zu den wenigen Eingeweihten, die schon vor der Bürgerkönig-Proklamation wissen, wenn eines ihrer Mitglieder den Top-Schuss abgegeben hat. Sie bereiten die Feierlichkeiten schließlich vor. Doch beim BürgerJäger-Corps ist ausgerechnet Mario Mytzka seit einem Jahr der Adjutant.
Schoke hat ihm daher glaubhaft weisgemacht, Bürger-Jäger-Ehrenhauptmann Christopher Selle habe gewonnen. Mytzka schickte sogar schon ein Foto von Selle für die Tischkarten an die Druckerei – der Hauptmann klärte die Druckerei umgehend darüber auf, warum gleich ein anderes Foto per E-Mail kommt...
„Ich feiere seit 40 Jahren Freischießen, aber so aufregende Tage und Stunden habe ich noch nicht erlebt. Es war eine Mission Impossible“, sagte Schoke. Er habe mächtig Muffensausen gehabt. Umso größer sei die Freude gewesen, als er in das Gesicht des neuen Bürgerkönigs bei der Proklamation blickte. Völlig verdutzt, stolz, den Tränen nahe. „Es gibt keinen schöneren Moment. Für uns hieß das: Alles richtig gemacht.“
Dieser Streich gefiel Mario Mytzka. „Das kann man gar nicht beschreiben, wie schön das ist, wenn man fest davon überzeugt ist, dass jemand anderes proklamiert wird“, sagte er. Erst als der Bürgermeister erwähnte, dass der neue Bürgerkönig 1992 schon einmal Jugendkönig war und er im strömenden Regen auf dem Marktplatz seine Lebensgefährtin Melanie Fuchs entdeckte – „da habe ich gedacht, hier ist etwas im Busche“.
Dem Stederdorfer ist übrigens etwas ganz Besonderes gelungen. Als einer von ganz wenigen in der Freischießen-Geschichte schaffte er es, die Bürgerkönig-Ehre nach 2013 zum zweiten Mal zu erringen. „Ich kann mich an keine Handvoll erinnern“, verdeutlichte Bürgerschaffer Thomas Weitling. Angesichts des Doppelerfolgs von 2013 und 2025 sprach der Bürgerschaffer in seiner Rede sogar von „Super-Mario“. Bei den Bürger-Jägern war das vor Mytzka nur Wolfgang Ohmes (1999/2001) und Hans-Georg Rathe (1957/1986) gelungen.
Außergewöhnlich war noch etwas – wie knapp es beim Schießen um die Bürgerkönigs-Würde zugegangen war. Nach dem Austeilern wird normalerweise mit Sekt angestoßen, „aber diesmal gab es Himbeer-Geist, die Nervenbelastung war einfach zu groß“, verriet Weitling.
Eher mit Bier, Alster und Wasser stießen Ehrengäste aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung, Kirche und Kultur beim Königsfrühstück im Bürger-Jäger-Heim auf Mario Mytzka an. Bürgermeister Klaus Saemann betonte in seiner Rede, dass er sich das, was an den fünf Tagen beim Peiner Freischießen so vorbildlich funktioniere, auch für die anderen 360 Tage im Jahr wünsche: „Sauberkeit und Ordnung, respektvoller und wertschätzender Umgang, friedliches Zusammenkommen und Zusammensein, gelebte Kameradschaft, Freundschaft und Gastfreundschaft.“
Er appellierte, dass sich alle wieder verantwortlich fühlen müssten und nicht die Verantwortung auf andere schieben sollten. Das Freischießen sei ein gutes Beispiel dafür, wie Gemeinschaft in Peine gelebt werde. „Unsere Stadt lebt durch ihre Menschen, durch ihre Vereine und durch ihre Feste.“
Peine sei schön, entwickle sich, sei in Bewegung. Die „Deutschlandstudie Innenstadt“ belege, dass Peine viele Stärken mitbringe, darunter eine hervorragende Verkehrsanbindung, wenig Stress beim Stadtbummel und eine neue Offenheit für Innovation. „Aber auch ein wachsendes Bewusstsein für das, was unsere Stadt im Innersten zusammenhält – nämlich Menschen wie Sie, die sich einbringen, gestalten und mitfeiern."
Die große Stärke des Freischießens hob auch Landrat Henning Heiß hervor (SPD): „Was wäre Peine ohne Freischießen. Hier gibt es etwas, was in Deutschland zunehmend seltener wird – nämlich Gemeinschaft“, sagte er.
Peines neuer Superintendent Michael Glawion und St.-Jakobi-Pastorin Dr. Heidrun Gunkel bemühten in ihrer gemeinsamen Rede ein Wortspiel passend zum Freischießen, das in die gleiche Kerbe schlug: „Wer Gemeinschaft stiftet, der schießt nicht daneben“, betonten sie. Wenn Peine Freischießen feiere, dann treffe das mitten ins Herz.
Für anerkennende Lacher sorgte der Superintendent mit einem Verweis auf seinen Wohnort. Er wolle nach Peine zurückziehen, lebe aber noch in Hannover. Dort hätte er auch zum Schützenfest gehen können, „doch wer will das schon, wenn er in Peine Freischießen feiern kann“.