Zur Tat: Zweimal wurden im vergangenen Jahr auf eine Doppelhaushälfte an der Peiner Schäferstraße Molotow-Cocktails geschleudert. Sechs Männer (27 bis 51 Jahre) sind deshalb vor dem Landgericht Hildesheim angeklagt. Laut Staatsanwaltschaft soll ein 38-jähriger Bauunternehmer aus Ilsede Auftraggeber der Taten sein, um seine Mieter zu vertreiben, die Neubau-Plänen im Wege standen. Neben ihm auf der Anklagebank sitzen: Türsteher aus dem Rotlichtmilieu am Steintor in Hannover, ein Mitglied eines Rocker-Clubs aus Nordrhein-Westfalen und zwei Ex-Hells-Angels.
Drei Untersuchungshäftlinge und eine Justizbeamtin aus der JVA Rosdorf waren am 24. Verhandlungstag im Hildesheimer Landgericht wegen der Drohung als Zeugen geladen. Besonders nervös wirkte der erste Zeuge, der als Untersuchungshäftling zehn Monate in Rosdorf einsaß. Der 44-Jährige blickte sich immer wieder um, bog seine Finger, bis die Gelenke knackten. Der Staatsanwältin fiel auf, dass er Kontakt zu Angeklagten aufnahm und wies die Justizwachtmeister an, dies zu unterbinden. Er soll derjenige sein, der bei einem kurzen Aufenthalt in der JVA Wolfenbüttel, dem 38-jährigen angeklagten Türsteher aus diesem Verfahren steckte, dass sein 51-jähriger Mitangeklagter in der JVA Rosdorf einsitzt. Der Türsteher wird verdächtigt, den Auftrag für das Drohschreiben an den 44-jährigen Zeugen gegeben zu haben.
Als zweiter Zeuge wurde ein 40-Jähriger aus Rietze vorgeführt. Er ist derjenige, der verdächtig wird, seine Ex-Freundin Ende Februar umgebracht zu haben. Er sitzt in der JVA Rosdorf in Untersuchungshaft. Den 51-jährigen Hells Angel-Anwärter kennt er aus der Untersuchungshaft, lebt mit ihm auf demselben Flur. Vom ersten Zeugen will er bei einem Hofgang einen DIN-A-4-Zettel mit den Drohungen bekommen haben, um sie in der Zelle des 51-Jährigen zu platzieren. „Der 44-Jährige hat gesagt, er schlägt mich, wenn ich das nicht mache“, sagt der 40-Jährige vor Gericht. Er habe den Zettel dann in einen Ordner des 51-Jährigen gelegt.
Durch einen 27-jährigen Mithäftling soll der 51-Jährige erfahren haben, wie die Drohung in seine Zelle kam. Denn bei einem Hofgang will der 27-Jährige ein Gespräch zwischen dem ersten Zeugen und dem Mann aus Rietze mitbekommen haben. „Ich habe von Weitem gesehen, dass es kein freundliches Gespräch war“, so der Zeuge vor Gericht. Gehört habe er, wie der erste Zeuge unter Androhung von Schlägen verlangt habe, dass der Mann aus Rietze etwas in einen Ordner reinschreiben soll, so der 27-Jährige. Der 51-Jährige stellte den Mann aus Rietze auf Station zur Rede. Es gab Spannungen, die eine Justizvollzugsbeamtin mitbekam. Sie schrieb einen Vermerk, der die Untersuchungshäftlinge jetzt zu Zeugen in diesem Verfahren machte.
Unklar blieb, ob dem Mann aus Rietze tatsächlich einen Zettel mit den bedrohlichen Worten übergeben bekommen hat, den er in der Zelle platzierte, oder er selbst wegen der Androhung von Schlägen die Drohung handschriftlich in den Ordner schrieb. Die Angaben der Zeugen widersprachen sich. Der Zettel wurde vom Landeskriminalamt daktyloskopisch untersucht, eine Auswertung liegt noch nicht vor, so die Staatsanwaltschaft. Daktyloskopie ist ein kriminalistisches Verfahren zur Identifizierung von Personen anhand ihrer Fingerabdrücke, Handflächenabdrücke oder Fußsohlenabdrücke.
Die Staatsanwaltschaft nahm auch Stellung zu dem Haftprüfungs- und Beweisermittlungs-Antrag der Verteidigung des angeklagten Ilseder Bauunternehmers vom letzten Verhandlungstag. Sie kritisierte uneindeutige Formulierungen im Haftprüfungsantrag und wies darauf hin, dass sich die Verteidiger in ihren Ausführungen widersprächen. Im Beweisermittlungs-Antrag seien „Behauptungen ins Blaue hinein“ getroffen worden.
Sie kritisierte, dass die Verteidigung die schnelle Flucht der Mieter aus dem brennenden Haus als „unglaubliches Kunststück“ bezeichnet hätten. Für den Mieter sei es nach dem Wurf der Molotow-Cocktails das Wichtigste gewesen, Handy und Mutter zu retten. Der Vertreter der Opferfamilie will zu den Ausführungen der Verteidiger erst im Schlussvortrag Stellung nehmen. Sein Kollege hatte bemerkt, dass die Verteidigung des Bauunternehmers die Opferfamilie diffamiere.
Die Verteidiger des Bauunternehmers brachten wieder den Namen des ehemaligen Präsidenten des offiziell aufgelösten Motorrad-Clubs der Hells Angels Hannover, Frank Hanebuth, in das Verfahren ein. Sie stellten den Beweisantrag, Hanebuth, als Zeugen zu laden. Er soll unter anderem bestätigen, dass der Motorrad-Club der Hells Angel von den Angeklagten keine Superprovision erhalten hat. Außerdem erwarten sie, dass Hanebuth aufklären kann, dass der 38-jährige Türsteher nicht als Fahrer für ihn tätig war, sondern dass dies eine Verwechslung ist.
Über die Anträge der Verteidigung wird die Kammer entscheiden. Der Prozess wird am 14. Juli fortgesetzt.