Kirchen im Visier? Rätselhafte Serie
von Delikten in Peine
Eine Serie beunruhigender Vorfälle binnen kurzer Zeit erschüttert die Kirchengemeinden Peine

Die Tür der katholischen Kirche „Zu den heiligen Engeln“ in Peine wurde bei einem Brandanschlag beschädigt.Fotos: Ralf Büchler
Peine. Eine Serie beunruhigender Vorfälle erschüttert die Kirchengemeinden Peine: In kurzer Zeit wurden mehrere Kirchen Ziel von Vandalismus, politischen Parolen und sogar einem Brandanschlag. Der Staatsschutz ermittelt, die betroffenen Gemeinden hoffen auf Aufklärung und offene Türen trotz wachsender Verunsicherung.

Tatort: die Peiner Südstadt. Eigentlich hätte es für die evangelische Pastorin Dr. Heidrun Gunkel ein freudiger Anlass sein sollen. Sie war in der Martin-Luther-Kita zum Abschiedsgottesdienst der angehenden Schulkinder. Doch der Tag nahm für die Pfarrerin der St.-Jakobi-Kirche ein abruptes Ende.

Als sie wegen des wetterbedingten Ausfalls der Veranstaltung nach 20 Minuten zu ihrem in der Breslauer Straße geparkten Wagen zurückkehrte, entdeckte sie einen zerstörten Reifen. Später stellte sich heraus, dass der mutwillig durchstochen wurde. Der Wagen musste abgeschleppt werden, ein Werkstattbesuch bestätigte den Anfangsverdacht.

Ein Einzelfall? Wohl kaum.

Dieser Vorfall reiht sich in eine Serie von Delikten, die in Peine innerhalb weniger Tage und in auffälliger Nähe zu kirchlichen Einrichtungen verübt wurden. Die Taten werfen Fragen auf – nach dem Motiv, nach einem möglichen Zusammenhang. Und: nach einem Täterbild, das womöglich von gezielter Ablehnung gegenüber Kirche oder Religion geprägt ist.

Den Anfang machten Farbschmierereien an der kleinen Horst-Kapelle der evangelischen St.-Johannis-Gemeinde in Telgte. Rund um den 20. Juni beschmierten Unbekannte die Tür mit einem Davidstern. Doch dabei blieb es nicht.

An der Fassade der altehrwürdigen Kapelle wurde es deutlich radikaler: „Free Gaza“, „Kill“ und weitere politische Parolen sowie zogen sich in großen Lettern über die Außenwand. Überdies zerstörten der oder die Täter auch noch mehrere Lampen. Die Gemeinde reagierte und montierte die Beleuchtung vorerst ab. Sind die Schmierereien das Werk Halbstarker oder steckt mehr dahinter?

Kurz darauf, nur wenige Kilometer entfernt, das nächste Entsetzen: Ein Brandanschlag auf die katholische Kirche „Zu den Heiligen Engeln“ in Peine. In den frühen Morgenstunden entdeckte eine Passantin gegen 6 Uhr eine angekohlte Eingangstür. Die Ermittlungen ergaben: Zwei mit Brandbeschleuniger gefüllte Flaschen – Molotow-Cocktails – wurden offenbar gegen die Tür geschleudert. Eine davon zerbarst. Nur durch Glück und dank der Stabilität der Tür konnte ein größerer Schaden verhindert werden.

Ein vierter Vorfall folgte fast beiläufig ebenfalls in Telgte: An der St.-Johannis-Kirche tauchten Aufkleber auf, die eine durchgestrichene Kirche zeigten. Ein stilles Symbol, aber mit deutlicher Aussage. Die Aufkleber wurden entfernt. Das Gefühl, dass hier etwas Größeres im Gange ist, bleibt.

„Aufgrund der räumlichen Nähe kann ein Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden“, sagt Malte Jansen vom Polizeikommissariat Peine. Derzeit wertet die Polizei mögliche Videoaufnahmen aus der Umgebung aus. Auch sucht sie Zeugen, die zu den jeweiligen Tatzeiten verdächtige Beobachtungen gemacht haben könnten. Die Ermittlungen führt inzwischen das Fachkommissariat 4 des Staatsschutzes in Salzgitter – zuständig für politisch motivierte Straftaten.

Noch gibt es keine konkreten Hinweise auf mögliche Täter oder Tätergruppe. Doch die zeitliche und geografische Häufung lässt zumindest ein Muster erahnen. Wut auf die Kirche? Ein politisches Statement? Oder doch reine Zerstörungswut?

Dr. Nicole Laskowski, Sprecherin des evangelischen Kirchenkreises Peine, zeigt sich fassungslos: „Das ist völlig sinnfrei. Wenn jemand ein Problem mit uns hat, kann man über alles reden. Wir sind immer gesprächsbereit.“ Die Kirche, so betont sie, stehe für Offenheit, Dialog und Frieden – gerade in schwierigen gesellschaftlichen Zeiten.

Wie hoch der entstandene Gesamtschaden ist, steht aktuell nicht fest. Wie es weitergeht, liegt in den Händen der Ermittler und vielleicht auch in denen aufmerksamer Bürger. Wer Hinweise geben kann, wird gebeten, sich bei der Polizei unter (0 51 71) 99 90 zu melden. Die betroffenen Kirchengemeinden jedenfalls hoffen auf Aufklärung – und auf einen Sommer, in dem ihre Türen offen bleiben können. Für alle.

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