Ein Haus aus Peiner Stahl will
klimafreundlicher sein als ein Holzhaus
Gebäude soll in Bau und Betrieb extrem wenig Kohlenstoffdioxid verbrauchen

Stahlhaus mit großzügigem Galerieraum: Architekt Thorsten ­Rebbereh (vorne) mit Jonas Pons, Bauingenieur beim Stahlunternehmen Peiner Träger, und Designerin Farina Hochschild im Green Steel Home aus Peiner Stahl.foto: Conrad von Meding
Peine/Weyhausen. Wenn Versprechen zu vollmundig klingen, ist oft Vorsicht geboten. Andererseits: Man weiß ja nie, was dran ist. In einem Neubaugebiet in Weyhausen nahe Wolfsburg steht ein äußerlich schlicht­modernes Haus, das so markig beworben wird, als gleiche es dem Ei des Kolumbus. Der Grundbaustoff ist Stahl, was eigentlich als extrem energieintensiv gilt. Trotzdem soll das Haus in Bau und Betrieb bessere Kohlenstoffdioxid-Werte haben als so manches als klimafreundlich beworbene Ökohaus, es soll schnell zu  montieren sein und den garantierten Festpreis von 360.000 Euro einhalten. Wir ­haben es vor Ort angeschaut.

Das Haus trägt den klangvollen Markennamen Green Steel Home. Der Hildesheimer Architekt Thorsten Rebbereh (62) hat es entwickelt. Das zum Salzgitter-Konzern gehörende Unternehmen Peiner Träger ­liefert den Stahl für die kon­struktiven ­Elemente – in dem zweitgrößten deutschen Stahlkonzern experimentiert man derzeit ohnehin viel mit dem Ziel klimaneutraler Stahlproduktion.

Grundriss und Raumkonzept sehen durchdacht aus, das Design mit seiner Kombination aus schwarzem Stahl und Eichenholz bedient den Zeitgeist. In der Standardkonfiguration bietet es gut 150 Quadratmeter mit einem großen Galerie-Wohnraum. Bei Bedarf lässt es sich durch relativ simple Umbauten auf bis zu 200  Quadratmeter Nutzfläche und acht Zimmer erweitern – das Stahlgerüst erlaubt vielfältige Variationen. Aber Grundrissflexibilität bieten auch viele andere Häuser.

„Eigentlich entstand die Idee, weil meine Tochter gerne ein Haus haben wollte und sich beklagte, dass Wohnraum unfassbar teuer geworden ist“, sagt Rebbereh. Der Hildesheimer Architekt hat früher viel im Denkmalschutz gearbeitet, zuletzt baute sein Büro überwiegend Gewerbeimmobilien. Und weil die oft aus Stahl und relativ schlicht zu konstruieren sind, setzte er sich hin und entwarf ein Familien-Wohnhaus aus Stahl.

Nun ist es nicht so, dass vorige Architektengenerationen noch nie auf die Idee gekommen wären, Wohnhäuser aus dem Werkstoff Stahl zu bauen. Beispiele gibt es reichlich.

Architekturhistorisch am beeindruckendsten sind vielleicht die Bauhaus-Stahlhäuser in Dessau. Und an ihrem steten Sanierungsbedarf lässt sich leider auch die Gefahr dieser Materialwahl erkennen. Denn sie leiden unter der Luftfeuchtigkeit etwa vom Atmen und Kochen, die in kalten Raumecken als Schwitzwasser kondensiert und die Häuser zum Rosten bringt.

Rebbereh sagt, er habe das Problem konstruktiv gelöst. Das Haus ist von außen ein sehr schlichter Kubus. Es gibt weder Erker noch Vorsprünge, keinen Balkon und keine Nische. „Die Außenhaut mit der Dämmung ist vollständig über das Stahl-Fachwerk gestülpt“, sagt der Architekt. So könnten nirgends Wärmebrücken entstehen, die die Heizwärme nach außen leiten, Bauteile abkühlen lassen und dadurch anfällig für Schwitzwasserkondensat werden.

Der Preis dafür ist das schlicht-kubische Äußere. Nichts ist angebaut, sogar Carport und Terrassenüberdachung sind separat errichtet, um Wärmebrücken zu vermeiden. Im Inneren dafür hat der Architekt, zusammen mit der Hildesheimer Fotografin und Designerin Farina Hochschild, umso mehr Gas gegeben.

Beeindruckend ist vor allem der große Wohnraum mit dem Galeriegeschoss. Eine Treppe (natürlich aus Stahl) zieht sich mitten durch das Zimmer, oben sollen Pflanzen für frisches Raumklima sorgen, die natürlich automatisch bewässert und bei Bedarf mit elektrischem UV-Licht bestrahlt werden.

Zusätzlich zur offenen Wohn­küche gibt es eine Anricht-Küche, zwei Bäder, drei Schlafräume, einen Technik- und Hauswirtschaftsraum sowie, das ist ein kleiner Clou, ein weiteres knapp 20 Quadratmeter großes Zimmer. Das lässt sich als Büro oder Fitnessraum, als Musikzimmer oder – Dank Wasseranschlüssen und Möglichkeit zum separaten Eingang – auch als Einliegerwohnraum nutzen. „Als Mehrgenerationenraum für einen ­Elternteil oder zum Vermieten an Studenten“, sagt ­Rebbereh.

Natürlich sorgt eine Solaranlage auf dem Dach zusammen mit Akkus für relative Autarkie in Stromfragen. Als Heizung allerdings ist in diesem Haus keine Wärmepumpe verbaut, sondern eine elektrische Carbon-Induktionsheizung. Die ist zwar viel ineffizienter als Wärmepumpen, weil sie aus einer Kilowattstunde Strom nur eine Kilowattstunde Wärme produziert.

Architekt Rebbereh aber demonstriert, dass selbst bei grau-trübem Himmel die Solartechnik meist genug Strom produziert, um den Speicher so zu füllen, dass das gut gedämmte Haus geheizt werden kann. Und wenn nicht, dann werde dank smarter Steuerung zusätzliche Energie direkt an der Strombörse gekauft.

Und der nahezu klimaneutrale Stahl? Rebbereh sagt, er sei darauf eher durch Zufall gekommen. Er habe das Haus als Energiehaus mit KfW-40-Standard klassifizieren lassen wollen, also mit einem Verbrauch von maximal 40 Prozent eines Referenzhauses. „Ich musste feststellen, dass es für solch ein Stahlhaus gar keine derartigen Rechenmethoden gibt“, sagt er. Er ließ alles von einem Fachbüro neu berechnen.

Dabei entdeckte er einen weiteren Vorzug. „Stahl hat zwar wegen des hohen Energieverbrauchs in der Produktion eigentlich keine gute Klimabilanz“, sagt er. Rechnerisch würden für die Herstellung einer Tonne Stahl etwa 1,8 Tonnen CO2 freigesetzt. „Aber meine erste Erkenntnis war: Wegen der Fachwerkbauweise brauche ich nur sehr wenig Stahl für viel Haus“, sagt er.Der Kontakt zur Salzgitter AG ergab dann, dass klimafreundliche Stahlproduktion, aber mit sogenannter Grauer Energie, den Wert auf 0,688 Tonnen CO2 pro Tonne Stahl senkt. Und wenn man Recyclingstahl nutzt und diesen statt mit Gas mit Ökostrom im Elektro-Lichtbogenverfahren verarbeite, dann sind es rechnerisch nur 0,366  Tonnen.Die Salzgitter-Tochterfirma Peiner Träger hat sich auf solche klimafreundlichen Stahllösungen spezialisiert. Sie ist damit Teil des „Salcos“-Projekts von Salzgitter, dem „Salzgitter Low-CO2-Steelmaking“. 10,7 Tonnen Stahl benötigt der Rohbau des Hauses. „Damit liegen wir unter 4 Tonnen CO2 für den Rohbau des Gebäudes“, sagt Peiner­Träger-Ingenieur Jonas Pons. „Das ist ein Sensationsergebnis“, frohlockt Rebbereh: „Damit kann kein Holzhaus und kein konventionell gebautes Haus mithalten.“Gerechnet wird natürlich nur der Rohbaubedarf. Die Verkleidung und Dämmung des Hauses mit sogenannten Sandwichplatten, das Fundament und die Einrichtung kommen hinzu. „Aber das ist ja auch bei anderen Häusern so, die beim Bau überschlägig auf etwa 40 Tonnen CO2 kommen“, sagt Rebbereh.

Die Werte klingen gut. Verkauft wurde das Haus, das seit drei Monaten als Musterhaus zu besichtigen ist, allerdings noch nie. „Eigentlich sind alle begeistert, sobald sie sich mit dem Haus beschäftigen“, sagt Maklerin Mareike Schmelczyk aus Langenhagen. Das Problem sei, dass es viel zu selten Grundstücke gebe, auf denen ohne Bauträger gebaut werden darf.

Architekt Rebbereh rechnet vor, dass sein Haus auf ein 280 Quadratmeter großes Grundstück passt. Selbst bei 500 Euro Grundstückspreis pro Quadratmeter ließe sich das Haus damit für 500.000 Euro Gesamtpreis innerhalb weniger Wochen aufbauen. „Ein hochwertiges und Wohnhaus mit exzellenten Klimawerten zu bauen muss nicht teuer sein – wir wollen den Beweis bringen“, sagt er.

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