Brandanschlag: Bauunternehmer
als Drahtzieher verurteilt
Seit zehn Monaten standen die sechs Angeklagten vor Gericht und erhielten jetzt lange Haftstrafen

Die Angeklagten im Brandanschlags Prozess vor dem Landgericht Hildesheim warten auf das Urteil. Der Prozess stieß bei verschiedenen Medien auf Interesse.Foto: Bettina Reese.
Peine/Hildesheim. Am 32. Verhandlungstag ließen die Richter am Landgericht Hildesheim keinen Zweifel daran aufkommen, dass auf der Anklagebank genau die Richtigen sitzen. Die sechs Männer (27 bis 52 Jahre) mussten sich wegen versuchter besonders schwerer Brandstiftung, versuchten Mord, Anstiftung und gefährliche Körperverletzung verantworten. Darunter ein 37-jähriger Ilseder Bauunternehmer. Er soll laut Anklage den Auftrag zu den Brandsatz-Würfen gegeben haben, um unliebsame Mieter aus seiner Doppelhaushälfte in der Schäferstraße loszuwerden, die einem Bauprojekt im Wege standen. Bis zum Schluss versuchte der Bauunternehmer mit seinen Verteidigern seine Unschuld zu beweisen.

Der letzte Verhandlungstag um die Brandsatz-Würfe auf die Doppelhaushälfte startete so wie bei Prozessbeginn im Dezember 2024: Wegen jeder Menge Anträge von Verteidigern musste die Kammer die Verhandlung mehrmals unterbrechen. Anträge auf Aussetzung und Unterbrechung des Verfahrens sowie ein neuer Beweisantrag gehörten dazu. Der Vorsitzende Richter Rainer de Lippe machte seinen Plan klar, dass der Prozess an diesem Tag zum Ende kommen sollte und das Urteil verkündet wird. Alle Anträge wurden abgeschmettert.

In seinem Schlusswort entschuldigte sich der 52-jährige Angeklagte bei der Opferfamilie. Ihm fiel es sichtlich schwer, seinen Ärger über Mitangeklagte zu unterdrücken. Sein Verteidiger gab ihm durch Kopfnicken ein Zeichen, nicht mehr zu sagen. Sein 35-jähriger Freund aus Nordrhein-Westfalen beteuerte, dass er nie die Absicht gehabt habe, die Mieter der Schäferstraße zu verletzen. „Ich möchte mein Bedauern ausdrücken über das erlebte Martyrium“, sagte er. Beide hatten gestanden, Brandsätze geworfen zu haben.

Als der Bauunternehmer zu seinen Schlussworten ansetzte, verließen Mitglieder der Opferfamilie demonstrativ den Gerichtssaal. Niemals habe er einen Mord oder Brandanschlag in Auftrag gegeben, beteuert er. Das Geschehen bedauere er. Die 16 Monate Untersuchungshaft hätten ihm gezeigt, was wichtig sei. Das Schlimmste für ihn sei, nicht für Frau und Kind da sein zu können. Er hoffe auf eine Chance, um ein guter Vater sein zu können.

Wie der 36-jährige Türsteher und Hells Angels Mitglied aus Hannover entschuldigte sich auch sein 39-jähriger Türsteher-Freund bei der Opferfamilie. Zu keiner Zeit sei es sein Wunsch oder seine Absicht gewesen, der Familie zu schaden, so der 39-Jährige.

Wütend sei er darüber, dass der Bauunternehmer jegliche Schuld von sich weise und behaupte, er und sein Freund hätten gemeinsame Sache mit der Opferfamilie gemacht, um den Bauunternehmer zu erpressen. Ihn ärgert auch, dass sein 27-jähriger mitangeklagter Türsteher-Kumpel auf freiem Fuß ist. „Er läuft hier rum, als hätte er ein Fahrrad geklaut“, so der 39-jährige. So wie im gesamten Prozess schwieg der 27-jährige Angeklagte und verzichtete auf sein letztes Wort.

Noch bevor die Kammer nach knapp eineinhalbstündiger Beratung mit der Urteilsverkündung einen vorläufigen Schlussstrich unter dieses Verfahren zog, wurden im Besucherraum die Familienmitglieder und Freunde der Angeklagten und der Opferfamilie voneinander getrennt. Zwischen ihnen hatten Justizvollzugsbeamte Platz genommen. Laut Gerichtssprecherin war dies eine reine Vorsichtsmaßnahme der Wachtmeisterei und Polizei.

Dann verkündete der Vorsitzende Richter Rainer de Lippe das Urteil: Sieben Jahre und sechs Monate muss der 52-jährige Angeklagte, der Mitglied bei den Hells Angels werden wollte, in Haft. Den Wurf eines Brandsatzes werteten die Richter als eine versuchte besonders schwere Brandstiftung, versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung.

Sein 35-jähriger Mittäter und Freund aus einem Motorradclub in Nordrhein-Westfalen muss für fünf Jahre und sechs Monate in Haft wegen derselben Vorwürfe in Haft. Er war wie sein Freund beim Wurf eines Molotow-Cocktails auf das Haus gefilmt und identifiziert worden.

Da laut Gesetz der Anstifter genauso zu bestrafen ist wie der Täter, verurteilte das Gericht den 37-jährigen Bauunternehmer zu einer siebenjährigen Haftstrafe. Den Vorwurf der Anstiftung zum versuchten Mord und zur versuchten besonders schweren Brandstiftung halten die Richter für erwiesen.

Die Kammer geht davon aus, dass der Bauunternehmer seine Mieter loswerden wollte, den Auftrag für die Brandanschläge an den 36-jährigen Türsteher und Hells- Angels-Mitglied sowie an dessen 39-jährigen Türsteher-Freund gegeben und dafür 25.000 Euro in Aussicht gestellt zu haben.

Der Bauunternehmer hatte im Laufe des Verfahrens immer wieder beteuert, dass an der Tür der Mieter nur Stress gemacht werden sollte. Er sei nicht über eine geplante Brandstiftung informiert gewesen und entsetzt über das Geschehen. „Für ein- bis zweimal an der Tür erscheinen, dafür zahlt man nicht 25.000 Euro“, so der Richter in seiner Urteilsbegründung.

Seinen Kontaktmann, ein 36-jähriger Türsteher und Hells Angels Mitglied aus Hannover, sowie seinen 39-jährigen Türsteher-Freund aus dem Rotlichtmilieu in Hannover hält die Kammer der Mittäterschaft für schuldig. Das Mordmerkmal Habgier ist für die Kammer erwiesen. Sie hätten die Tat von anderen ausführen lassen, um Geld dafür zu kassieren. Der 36-Jährige muss für sieben Jahre in Haft, sein Freund für sechs Jahre und neun Monate.

Durch das Werfen von Molotow-Cocktails liegt für den ­Richter ein Tötungsvorsatz vor, da man einen Explosivkörper einbringt, der nicht so schnell zu ­löschen sei. Beide Angeklagten ­hätten die Steuerungsmacht und die Personalhoheit bei den Taten am 14. März 2024 und am 9. Mai 2024 gehabt. Nach Überzeugung der Kammer hätte der 36-Jährige die zweite Tat stoppen können, wenn er dies dem 52-jährigen Angeklagten mitgeteilt hätte.

Der 27-jährige Angeklagte kam mit drei Jahren Haft davon, da die Richter davon ausgingen, dass er bei der ersten Tat den Brandsatz eventuell absichtlich neben das Wohnzimmerfenster der Opferfamilie geworfen hat. Anders als seine Mitangeklagten, deren Haftbefehle aufrechterhalten bleiben, darf er bis zur endgültigen Rechtskraft des Urteils auf freiem Fuß bleiben.

Tumulte gab es am Ende des Verfahrens nicht - nur eine versuchte Spuckattacke der Mutter des angeklagten Bauunternehmers auf ein Mitglied der Opferfamilie, die ihr Ziel verfehlte. Die Angeklagten haben jetzt die Möglichkeit, innerhalb von sieben Tagen Revision gegen dieses Urteil einzulegen.

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