Mittwochs sind noch gut 15 Stände am Hagenmarkt aufgebaut, bieten Brot, Fisch, Käse, Geflügel, Blumen und Gemüse an. Für wenige hundert, meist ältere Kunden. Am Sonnabend ist mehr los, da kommen auch Familien. Bei der Stadt aktenkundig sind für das Jahr 2025 offiziell noch genau 21 regelmäßige so genannte Martkbeschicker.
Rund die Hälfte der Platzfläche ist mittwochs leer. 20 leere Meter von Scholz entfernt hat Lutz Heuer vom Hoorn’s Hof aus Wehnsen seinen Stand. „Ich gehe davon aus, dass die derzeitige Entwicklung absehbar zumindest mittwochs noch so manchen Betreiber aufgeben lässt“, sagt er zwischen Petersilie und Pastinaken. Er selbst sei finanziell „noch zufrieden“, betont er, und denkt zumindest vorerst nicht ans Aufgeben, wenngleich taugliches Personal, “dass Himbeeren von Heidelbeeren unterscheiden kann“, schwer zu finden sei.
Zudem ließe insgesamt die Zahl der Kunden seit Jahren dann doch zu wünschen übrig. „Wenn wir aber umziehen müssen, ist das definitiv der vorzeitige Tod des Wochenmarktes“, sagt Heuer mit Nachdruck und spielt damit auf die immer wiederkehrenden Gerüchte an, dass die Stadt doch nochmal drauf dringen wolle, den Wochenmarkt vom Hagenmarkt auf den historischen Marktplatz zu verlegen.
„Dass das in bestimmten Kreisen immer noch diskutiert wird, ist eigentlich ein schlechter Witz“, sagt denn auch Peines ehemaliger Bürgermeister Michael Kessler, der bei Heuer gerade ein paar Kleinigkeiten eingekauft hat. „30 Jahre ist die Idee alt, aber Standbetreiber und viele Kunden wollen das nicht. Wegen der fehlenden Parkplätze, wegen der fehlenden Toiletten, wegen der unbequemen Pflasterung des historischen Marktplatzes“, fasst Kessler zusammen.
Zuletzt hatte der Bundestagsabgeordnete und ehemalige Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) das Thema im Schulterschluss mit der Kaufmannsgilde zu Peine abermals auf die Agenda gesetzt. „Die mehrheitliche Ablehnung sollte man nach so vielen Jahren unbedingt einfach mal akzeptieren“, sagt Heils Parteifreund Kessler. Werde es seitens der Stadtverwaltung auch, verspricht auf PAZ-Nachfrage Nina Böker, stellvertretende Pressesprecherin der Stadt. Ein neuerlicher Anlauf, das Marktgeschehen zu verlegen, sei nicht geplant.
Dass nicht alles rosig steht um den Wochenmarkt am Hagenmarkt aber sieht auch sie. „Aus den Erfahrungen der letzten Jahre lässt sich ein deutlicher Trend ablesen: Viele Personen üben den Beruf des Marktbeschickers heute nicht mehr aus, und die generelle Interessenslage ist in den letzten Jahren spürbar zurückgegangen.“ Früher, vor zehn oder 20 Jahren, habe es regelrecht Wartelisten für interessierte Martkbeschicker gegeben, erinnert sich Gemüsehändler Heuer. Heute könne man froh sein, wenn die Mischung am Markt halbwegs stimmt.
„Im Grunde gibt es fast alles nur einmal, einmal Fisch, einmal Fleisch, einmal Geflügel“, bestätigt auch Kundin Gabi Wißler am Fischstand der Gebrüder Linowsky. Von viel Auswahl für die Kunden unter gleichen Anbietern sei man mittlerweile meilenweit entfernt. Und wenn einer aufgebe, komme nur selten ein anderer Anbieter nach, hat sie über die Jahre beobachtet. Das deckt sich mit den offiziellen Zahlen: In fünf Jahren ist die Anzahl der Anbieter um rund 20 Prozent zurückgegangen. Innerhalb von 20 Jahren, so erzählen Beobachter, hat sich das Angebot halbiert.
Am Fischstand der Linowsky-Brüder bilden sich manchmal – wenn auch kurze –Kundenschlangen. Fisch ist selten geworden, auch in Supermärkten gibt es nur noch selten Frischfischtheken. „Das ist unser Vorteil, und die Salate macht bei uns die Mutter noch selbst.“ Seit 25 Jahren sind die Fischhändler vom Steinhuder Meer regelmäßig auf dem Peiner Wochenmarkt.
Ob die beiden jungen Männer es mit ihrem Fischwagen bis zur Rente schaffen, erscheint gleichwohl ungewiss. Von der Stadt Peine fühlen sie sich „ordentlich behandelt“. Standgebühren, Stromanschlüsse, alles im üblichen Bereich. Das Problem liege woanders: „Junge Kundschaft wächst kaum nach.“ Tatsächlich ist der Trend bei Kaffee Latte und Co das Marktleben als Lifestyle zu erleben, wie es seit einigen Jahren in den Stadtteilen von Hannover teils schon überbordend kultiviert wird, in Peine noch nicht allzu ausgeprägt.
Uwe Waldmann vermisst das. Er verkauft Kartoffeln. Seit acht Jahren ist der 73-jährige am Peiner Wochenmarkt tätig und bessert sich über die Arbeit seine Rente auf. Manchmal warte er 20 Minuten auf den nächsten Kunden. „Das ist nicht mehr so viel wie früher“, sagt er und fühlt sich von der Stadt „ein bisschen im Stich gelassen.“ Mehr Werbung für den Wochenmarkt und bessere Social-Media-Auftritte für neue Kundengruppen wünscht er sich. „Immerhin ist der Markt für Peine doch einerseits Tradition und andererseits könnte er fast sowas wie Kult werden.“
Die Marktverwaltung stehe regelmäßig im Austausch mit den aktuellen Beschickern, „um Rückmeldungen zur Sortimentsstruktur zu berücksichtigen und gegebenenfalls auf veränderte Nachfrage oder Trends zu reagieren“, versichert Stadtsprecherin Böker. Ziel sei ein „authentisches und umweltbewusstes Einkaufserlebnis“. Lebendigkeit, Vielseitigkeit und Attraktivität lauten weitere Schlüsselworte, wenn die Stadt von ihrem Wochenmarkkonzept spricht. Darüber würden „fortlaufend Möglichkeiten geprüft, die Attraktivität des Marktes durch begleitende Aktionen weiter zu steigern.“
Am vergangenen Mittwoch dudelt ein junger Mann auf dem Pflaster sitzend mit seinem Keyboard ein paar Melodien. Kaum jemand nimmt Notiz davon. 20 Meter weiter schnackt Obsthändler Scholz wieder mit älteren Kunden nicht nur über Äpfel. Noch steht sein Obststand im Zentrum des Platzes am Hagenmarkt - ein bisschen verloren wirkt er nicht nur räumlich. „Ich werde traurig sein, das alles aufzugeben. Weil es mein Leben war“, sagt Scholz. Und schiebt hinterher: „Die Peiner könnten sich eigentlich glücklich schätzen, einen so schönen Markt zu haben.“