Kind (9) überfahren: Polizei sucht
weiter nach flüchtigem Audifahrer
Der Fall erschüttert Bierbergen und wirft Fragen nach Verkehrssicherheit und Verantwortung auf

Der Ortseingang von Bierbergen in Richtung Soßmar. Zufällig fährt gerade ein ähnliches Auto wie das Fluchtfahrzeug vorbei. Der Unfallverursacher konnte jedoch noch immer nicht ermittelt werden.Foto: Frank Vollmer
Hohenhameln. Dieser Unfall wirft Fragen auf und liefert bislang kaum Antworten: Ein Neunjähriger wird auf seinem Rad schwer verletzt, der Verursacher flüchtet feige. Das Besondere: Das gesuchte Auto soll Neongrün sein und ein Modell, das sofort ins Auge sticht. Fast zwei Wochen nach dem Unfall in der 860-Seelen-Gemeinde fehlt von Fahrer und Wagen trotzdem jede Spur. Währenddessen entbrennt im Ort eine Diskussion über die gefährliche Unfallkreuzung und über die Sicherheit der Kinder im Dorf. Ortsbürgermeister Dirk Pannicke (SPD) richtet nun einen Appell an den Landkreis Peine.

Nach Angaben der zuständigen Staatsanwaltschaft Hildesheim gibt es bislang keine neuen Erkenntnisse. „Die Ermittlungen dauern an“, lautet die Antwort von Sprecherin Christina Wotschke.

Dass trotz der auffällig neongrünen Farbe des mutmaßlichen Unfallwagens – einem Audi RSQ3 – noch immer kein Halter ermittelt werden konnte, sorgt doch für Verwunderung. Zwar waren aus der Bevölkerung zahlreiche Hinweise eingegangen und vor Ort wurde sogar ein Teil aus dem Radablauf des Autos sichergestellt, doch zu einem sichtbaren Durchbruch führte das bislang nicht.

Derweil rückt die Unfallstelle selbst zunehmend in den Fokus. Anwohner sprechen von einer gefährlichen Straße, auf der es immer wieder zu brenzligen Situationen kommt.

Am frühen Sonntagabend, 28. September, war ein Neunjähriger mit zwei Gleichaltrigen auf Fahrrädern vom Sportplatz in Bierbergen in Richtung der Kreuzung nach Soßmar unterwegs. Etwa 150 Meter vor dem Ortsausgang erfasste ihn ein Auto, offenbar mit überhöhter Geschwindigkeit. Das Kind wurde durch die Luft geschleudert und schwer verletzt auf der anderen Straßenseite liegen gelassen. Der Fahrer oder die Fahrerin hielt nicht an, leistete keine Hilfe und fuhr einfach weiter.

Der Neunjährige, ein Flüchtlingskind aus der Unterkunft in Bierbergen, wurde per Rettungshubschrauber in die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) geflogen und befindet sich mittlerweile in stabilem Zustand. Er erlitt eine Fraktur am Fuß sowie schwere Kopfverletzungen.

Bierbergens Ortsbürgermeister Dirk Pannicke zeigt sich tief betroffen: „Es ist ganz schlimm, was da passiert ist“, sagt er. „Noch viel schlimmer ist, dass jemand ein verletztes Kind einfach liegen lässt und abhaut. Das ist unmenschlich!“

Sein Mitgefühl gilt der Familie des Kindes. Zugleich macht ­Pannicke auf ein altbekanntes Problem im Ort aufmerksam: „Das ist eine ganz gefährliche Kreuzung im Dorf. Sie ist von der Seite aus kommend schwer einsehbar. Viele Autofahrer geben schon ­unbewusst Gas, weil sie die Ortsausfahrt sehen.“ Mehrfach hat er selbst gefähr­liche Situa­tionen mit Kindern beobachtet. Hinzu kommt: „Gerade hat die Rübenkampagne begonnen. Die Lastwagen bremsen auch spät.“

Der 59-Jährige fordert deshalb, dass der hier zuständige Landkreis Peine zumindest häufiger Geschwindigkeitsmessungen vornimmt. „Es darf nicht erst ein Unfall passieren, damit gehandelt wird.“ Ein komplettes Verkehrs­limit auf Tempo 30 hält er aber für nicht zielführend. „An besonderen Gefahrenstellen wie dieser schon“, erklärt er. Noch wirksamer wäre jedoch für Pannicke eine fahrbahnteilende Verkehrsinsel, die automatisch den Verkehr hinein in das Dorf bremsen soll. „So wie es von Adenstedt aus kommend gegeben ist.“

Beim Kreis Peine verweist man auf die vorhandenen Daten: „Uns sind dort keine Probleme bekannt. Vorhandene Seitenradarmessungen sind unauffällig und stellen keine Grundlage für eine rechtssichere Geschwindigkeitsüberwachung dar“, teilt Verwaltungssprecher Fabian Laaß mit.

Auch von der Gemeinde Hohenhameln heißt es, man nehme die Sorgen ernst. Zugleich betont Verwaltungsvertreter Frank Meißner, dass Kinder aus der Unterkunft in Bierbergen wie auch die anderen Kinder im Dorf altersgemäß die Schule besuchen und dort an Angeboten zur Verkehrserziehung teilnehmen. „Dazu gehören etwa die Vorbereitung und Abnahme der Radfahrprüfung.“

Während die Diskussion um Sicherheit und Verantwortung weitergeht, bleibt der entscheidende Punkt aber ungelöst: Wer saß am Steuer des neongrünen Audis? Und warum konnte der Fahrer oder die Fahrerin bis heute nicht ermittelt werden?

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