Von der Tafel zum Taler:
Kultur-Teilhabe für alle in Peine
Lions-Club investiert 10.000 Euro jährlich – Unterstützung durch Sozialamt, Tafel, Caritas und Diakonie

Die Beteiligten am Peiner Kulturtaler wollen sozial benachteiligten Menschen kulturelle Teilhabe ermöglichen und haben daher das Projekt auf den Weg gebracht.Foto: Donata Hardenberg
Peine. Unter dem Motto „Kultur für alle“ stellt der Präsident des Peiner Lions-Clubs, Michael Krupka, den neuen Kulturausweis vor. Mit diesem Ausweis soll finanziell Bedürftigen der günstige Besuch Theatervorstellungen und Konzerten ermöglicht werden.

Bereits im Januar 2024 hatte der Club anlässlich seines 60-jährigen Bestehens die Peiner Kulturtafel ins Leben gerufen. Angelehnt an die Lebensmittel-Tafeln ist die Idee dahinter: Kultur soll für alle zugänglich sein # auch für sozial Benachteiligte.

„Wir finden, dass Kultur generell wichtig ist und dass die menschlichen Bedürfnisse über das tägliche Brot hinausgehen,“ erklärt Thomas Lerch, Initiator und ehemaliger Präsident des Lions-Clubs Peine.

Der Club stellt für die Kulturtafel pro Jahr 10.000 Euro zur Verfügung. „Wir bezahlen die Theater- oder Konzertkarte beim Peiner Kulturring und die Leute müssen einen Obolus zahlen von 3,50 Euro - den gleichen Betrag, den man auch bei der Tafel für Verpflegung bezahlen muss,“ erklärt Lerch.

Nachdem es anfangs nur wenig Interessenten gab, haben die Kulturtafel-Gründer umgedacht und den Landkreis Peine mit an Bord geholt: „Nun haben wir den Prozess geändert und den Kulturtaler ins Leben gerufen. Das ist eine Scheckkarte, die wir weiterhin über Caritas, Tafel und Diakonie betreiben – aber nun auch über sämtliche Fachdienste des Sozialamtes“, betont Lerch. „So haben wir einen wesentlich weiteren Verbreitungshorizont“.

Die Sozialdezernentin des Landkreises, Professorin Dr. Andrea Friedrich, begrüßt die Idee, die Fachdienste des Landkreises zu nutzen, „um von der Idee auch in den Erfolg zu kommen, damit es auch bei den entsprechenden Familien ankommt“.

„Mich begeistert an dem Projekt, dass es Familien die Möglichkeit gibt, am kulturellen Leben teilzunehmen - einer Welt, an der sie bisher vielleicht noch nie Teilhabe hatten“, sagt Friedrich. „Dass sie den Zugang bekommen, ist eine Riesenchance für Familien.“ Die Kultur werte die Beziehungen durch das gemeinsame Erleben auf. „Kultur stärkt Gesellschaft“, betont die Sozialdezernentin.

Lions-Club-Präsident Michael Krupka freut sich besonders über die positiven Reaktionen der Mitarbeiter der Sozialdienste auf den Kulturtaler. „Denn wenn man an dieser Stelle Menschen hat, die das unterstützen, werden wir das Projekt gut voranbringen“, hofft er.

Bei musikalischen Veranstaltungen könne man aus dem Alltag abtauchen, so Krupka. „Und das wollen wir den Menschen ermöglichen – in allen Altersgruppen.“ Auch aufgrund der Inflation der vergangenen Jahre seien bei vielen Menschen kulturelle Veranstaltungen aus finanziellen Gründen untergeordnet gewesen.

„Besonders schön wäre es, wenn wir Kinder für kulturelle Veranstaltungen wie Theater interessieren könnten. Dann haben sie auch einen ganz anderen Lebensweg vor sich, als wenn sie nur vor Social Media hocken, ihr Tablet oder ihr Smartphone bedienen“, sagt Thomas Lerch. Sowohl bei Kindern als auch Senioren ist eine Begleitperson mit eingeplant, die umsonst mitkommen darf.

Jeder Kulturtaler hat eine Seriennummer, der Name wird manuell eingetragen, es gibt eine Karte pro Familie. „Wir wollen so ermöglichen, dass es ganz normal ist, einfach Tickets zu kaufen und teilzunehmen, ohne irgendwelche Bescheide vorzeigen zu müssen“, so Michael Krupka.

Dr. Bettina Wilts vom Kulturring Peine erklärt: „Dass die Karten aus dem Kulturtafel-Kontingent sind, steht nicht auf den Tickets. Wir haben das von Anfang an so gehandhabt, dass da nichts in Richtung Kulturtafel draufsteht, damit es nicht äußerlich sichtbar ist. Und wir haben die Kunden überall in allen Preiskategorien platziert.“

Einer der Kunden ist Klaus-Peter L.. Der 66-Jährige nutzt das Angebot der Kulturtafel zweimal im Jahr und geht mit verschiedenen Freunden zu zweit ins Theater. „Ich genieße es, im Theater zu sein und schätze, was die Leute auf der Bühne vollbringen.“ Es sei etwas anderes als Fernsehen.

Anja M. hingegen hat noch nichts von dem Angebot gehört, findet die Idee des Kulturtalers aber „sehr schön, wenn es denn wirklich so einfach ist“. Die Ende 50-Jährige geht „eigentlich gerne in Konzerte, allerdings ist das Geld einfach oft knapp. Dann bleibe ich lieber zu Hause“.

Nun können die Kreis-Sachbearbeiter den Kulturtaler als Zusatzbonus anbieten. „Wichtig war uns, dass wir als Club nicht in irgendeine Bedürftigkeitsprüfung einsteigen wollen. Trotzdem sollte die Bedürftigkeit festgestellt werden. Das klappt natürlich mit dem Sozialamt wunderbar. Wir hoffen, dass die Mitarbeiter den Kulturtaler an den Mann, die Frau und vor allem auch an die Kinder bringen“, sagt Thomas Lerch von den Lions. Für die Fachdienste bedeute dies, am Ende eines Gespräches zu fragen, ob ein Interesse an Kultur bestehe und bei Bedarf den Kulturtaler vorzustellen.

Für Andrea Friedrich gehört das Lernen im System, das „Immer wieder anpassen“, dazu. „Es ist ein Neuaufschlag, und es gibt sehr starke Schultern, die das Projekt tragen“, betont sie und hofft auf regen Zuspruch.
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