Ein Abend voller neuer Ideen für die Arbeitswelt
PAZ-Wirtschaftstalk zeigte in Hofschwicheldt, wie mutige Ideen auf dem Land ganze Jobwelten verändern können

Moderatorin Melanie Stallmann (2.v.r.) und ihre Gesprächsgäste Manuela Schneider (v.l., Erlebnisspeicher), Stefanie Müller (Sparkasse HGP) und Marcel Bortfeld (Tischlerei Klages).Foto: Ralf Büchler
Peine/Hofschwicheldt. Der vierte und letzte PAZ-Wirtschaftstalk in diesem Jahr hätte kaum passender platziert sein können: der 150 Jahre alte Kornspeicher von Hofschwicheldt, der jetzt „Erlebnisspeicher“ heißt und eindrucksvoll zeigt, was passiert, wenn Tradition und moderne Arbeitswelt aufeinandertreffen.

Moderiert von Melanie Stallmann diskutierten Manuela Schneider als Gastgeberin des Hofes; Stefanie Müller, Bereichsleiterin Personal bei der Sparkasse Hildesheim-Goslar-Peine (HGP) und Marcel Bortfeld, Geschäftsführer bei der Tischlerei Klages darüber, was „New Work“ („Neue Arbeit”) jenseits von Homeoffice und Laptopkultur eigentlich bedeutet und wie sich Arbeit in verschiedenen Branchen verändert. Etwa 100 Gäste waren dabei.

Schon der Blick in die ungewöhnliche Location machte deutlich, worum es ging: Transformation. Der Erlebnisspeicher ist ein Herzensprojekt von Manuela Schneider, deren Familie den Gutshof seit drei Generationen bewirtschaftet. Nach Aufgabe der Tierhaltung habe man man Wege gesucht, die alten, denkmalgeschützten Gebäude neu zu beleben. Ein Kindergarten sollte es einmal werden, andere Pläne tauchten auf und verschwanden wieder.

Am Ende entstand ein Ort, der historische Bausubstanz mit moderner Nutzung verbindet. Der heute Feiern, Kultur, Businessevents und Coachings beherbergt. Und, ganz frisch seit diesem Tag: Co-Working auf dem Land. „Der klassische Bauernhof existiert kaum noch“, sagt Schneider. „Aber jede Hofstelle hat Besonderheiten. Man muss sich nur trauen, sie neu zu denken.“

Dass Mut ein wesentlicher Teil von „New Work“ ist, bestätigte auch Stefanie Müller aus der Sparkassenführung. Die Fusion von drei Häusern im Jahr 2017 zwang die Bank, sich intensiv mit ihrer Unternehmenskultur auseinanderzusetzen. Plötzlich saßen fünf Generationen unter einem Dach. „Während ältere Mitarbeitende wenige, aber tiefgehende Gespräche bevorzugen, wünschen sich jüngere regelmäßiges Feedback und transparente Entscheidungsprozesse“, so Müller. Statt Top-down-Entscheidungen setzt die Sparkasse HGP heute auf gemeinsames Erarbeiten von Lösungen. Workshops klären, was Verantwortung bedeutet, wie Rollen verstanden werden und wo – bildlich gesprochen – der sprichwörtliche Hase im Pfeffer liegt.

Müller erklärte, dass diese Form der Führung nicht mehr Druck erzeugt, sondern vielmehr Akzeptanz. Diskussionen würden heute strukturierter laufen, oft mit „Timeboxing“. Mit klar begrenzten Zeitfenstern, an deren Ende eine Entscheidung steht. Ein besonderes Bild prägte sich ein, als sie von der „goldenen Kuh“ erzählte: Jenem Element im Unternehmen, das gewissermaßen heilig ist, weil es den früheren Erfolg begründet hat. „Wenn man die einfach schlachtet, führt das zu Ablehnung“, sagte sie. „Aber man darf sie auch nicht unantastbar machen.“ Der Kern müsse bleiben. Und doch modernisiert werden. Eine sehr treffende Beschreibung des Balanceakts, den „New Work“ in vielen Branchen erfordert.

Dass dieser Balanceakt auch im Handwerk funktioniert, zeigte Marcel Bortfeld. Seine Tischlerei Klages hat etwas gewagt, das viele als unmöglich erachten: die Viertagewoche. Nicht per Anordnung, sondern als gemeinsames Experiment.

Mitarbeitende konnten wählen, ob sie wie bisher arbeiten wollen, an vier langen Tagen je eine Dreiviertelstunde länger und dafür jeden zweiten Freitag frei oder noch etwas länger, damit jeder Freitag frei ist. Die Entscheidung fiel am Ende überraschend deutlich aus.

Nach einigen Wochen hatten fast alle die neuen Modelle übernommen und die Bilanz fiel so positiv aus, dass die Viertagewoche nach der Probephase blieb. Das Ergebnis: mehr Zufriedenheit, mehr Freizeit und sogar drei neue Mitarbeitende. „Freizeit wird immer wichtiger“, betonte Bortfeld. Und ganz nebenbei habe sogar ein Kunde der Tischlerei das Modell in seinem landwirtschaftlichen Betrieb übernommen.

Was sich quer durch alle Redebeiträge zog, war ein gemeinsamer Tenor: „New Work“ ist kein Privileg von Großraumbüros in der Stadt, sondern ein Prinzip, das überall funktionieren kann, wenn man bereit ist zuzuhören, offen zu experimentieren und auch unkonventionelle Wege zu gehen.

Manuela Schneider berichtete von Arbeitsrhythmen mit Spitzen und entspannten Phasen, Stefanie Müller von regelmäßigen Retrospektiven, in denen Teams miteinander reflektieren, was gut lief und was besser werden muss. Und Bortfeld plädierte dafür, Arbeitszeiten flexibler zu denken, nicht zuletzt um Menschen zu gewinnen, die sonst für klassische Modelle nicht zu haben wären. Am Ende fasste Moderatorin Melanie Stallmann zusammen, was dieser Abend eindrucksvoll gezeigt hat: „New Work“ ist weit mehr als Homeoffice und Work-Life-Balance. Es ist ein Kulturwandel, der von Dialog, Mut, Kreativität und dem Willen lebt, Neues auszuprobieren – egal ob in einem alten Kornspeicher, in einer Bank oder in einer Werkstatt.

„Ich hoffe, wir konnten heute Denkanstöße für neue Prozesse geben“, sagte sie zum Abschluss. Und wer den letzten PAZ-Wirtschaftstalk des Jahres als Gast erlebt hatte, ließ den Abend bei Suppe und Getränken noch lange nachklingen, tauschte sich angeregt aus und nahm vielleicht die ein oder andere Idee für die eigenen Projekte mit nach Hause.

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