Kosten für die Schülerbeförderung explodieren
Preissteigerung von 4,3 Millionen auf 5,4 Millionen Euro wegen „Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetz“

Die Autos der Fahrservice Qualivita GmbH gehören im Peine zum alltäglichen Stadtbild.Foto: Ralf Büchler
Kreis Peine. Die Kosten für den individuellen Schülertransport des Landkreises Peine explodieren: Der Ansatz im Kreishaushalt für 2026 liegt bei 5,4 Millionen Euro - nach „nur“ 4,3 Millionen Euro für 2025. Das liegt aber nicht daran, dass mehr Kinder zur Schule gefahren werden müssen. „Grund ist das ‚Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetz‘, das der Landkreis Peine wie alle Kommunen umsetzen muss", macht Adrienne Carstens deutlich. Sie ist die Leiterin des Kreis-Fachdienstes Schule, Kultur und Sport.

Das Gesetz wurde am 9. Juni 2021 vom Deutschen Bundestag beschlossen und dient der Umsetzung einer EU-Richtlinie mit dem Ziel, mehr saubere und energieeffiziente Nutzfahrzeuge auf die Straßen zu bringen. Betroffen sind Autos sowie leichte und schwere Nutzfahrzeuge, die im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) oder in der Verwaltung zum Einsatz kommen oder in deren Auftrag unterwegs sind.

Weniger Abgase - das klingt erstmal gut. Doch in der Praxis gibt es so einige Tücken, die sich erheblich auf die Betriebskosten auswirken. Das macht Marcel Schulz deutlich. Er ist Geschäftsleitung der Fahrservice Qualivita GmbH, die als einer von vier Anbietern im Auftrag des Landkreises Peines Schüler befördert. Qualivita hat als einziger dieser Dienstleister seinen Sitz im Kreisgebiet.

Der Landkreis Peine erteilt und vergibt die Zuschläge für mehrere Jahre nach einer bundesweiten Ausschreibung an die Beförderungsunternehmen. Die Ausschreibung gewinnt, wer im Vergleich zu allen eingereichten Angeboten den wirtschaftlich günstigsten Preis anbietet. Die aktuelle Ausschreibung stand erstmals unter der Einhaltung des „Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetz“.

„Natürlich wissen wir, mit welchen Problemen unsere Dienstleister zu kämpfen haben“, sagt Florian Rüscher, der zuständige Sachbearbeiter für die freigestellte Schülerbeförderung beim Landkreis Peine. Vor diesem Hintergrund habe man bei der letzten Ausschreibung im Jahr 2023 die Frist gesetzt, bis Ende 2025 den Fuhrpark anzupassen. Ab 2026 muss das umgesetzt sein.

Damit die Unternehmen wirtschaftlich arbeiten können, werde ab diesem Zeitpunkt anders vergütet. So komme es zu der enormen Kostensteigerung im Kreishaushalt.

„Ab 2026 gelten Fahrzeuge als sauber, die null Gramm Emissionen ausstoßen. In der Praxis sind das aktuell nur Elektro-Autos“, sagt Marcel Schulz. Qualivita habe sich entsprechend vertraglich verpflichtet, ab dem 1. Januar 2026 exakt 40 Prozent seiner für die Schülerbeförderung eingesetzten Flotte mit E-Autos zu bestücken. So einfach, wie sich das anhört, sei das aber für das Unternehmen nicht. Zudem sei es mit erheblichen Zusatzkosten verbunden. Dafür gebe es mehrere Gründe.

■ Die Reichweite

„Elektro-Fahrzeuge, die für uns infrage kommen, haben eine Reichweite von nur 200 bis 300 Kilometern. Das genügt für maximal zwei Tage, dann müssen sie geladen werden“, sagt Schulz. Im Vergleich zu einem Diesel oder Benziner muss also viel häufiger „getankt“ werden. Noch dazu dauert ein Ladevorgang sehr viel länger als eine Betankung.

Und warum kann man dafür nicht die ohnehin vorhandene Standzeit - etwa in der Nacht - nutzen? „Unsere Fahrer der Schülerbeförderung nehmen die Autos über Nacht und auch zwischen den Touren in der Regel mit nach Hause, um unnötige Wege zu vermeiden. Natürlich hat nicht jeder daheim eine Wallbox. Und selbst wenn so ein Gerät vorhanden ist: Wie soll das mit der Abrechnung laufen?“, zeigt Schulz Probleme auf, die in der Praxis auftauchen.

■ Die öffentliche Ladeinfrastruktur

De facto müssen die Fahrer also die öffentliche Ladeinfrastruktur nutzen. Die lässt aber in vielen Bereichen noch sehr zu wünschen übrig. „Oft haben die Fahrer weder in der Nähe ihrer Zielschule noch in der Nähe ihrer Wohnung die Möglichkeit, ihr Auto zu laden. Sie müssen extra eine Ladesäule anfahren und dann dort warten, bis der Vorgang beendet ist. Das wird natürlich als Arbeitszeit berechnet“, erklärt der Fachmann. So komme es zu zusätzliche Personalkosten. Zudem seien viele Fahrer als Minijobber beschäftigt und kämen mit der zulässigen Stundenzahl nicht mehr hin. „Wir müssen dann also mehr Fahrer und Fahrzeuge vorhalten. Auch das ist natürlich mit zusätzlichen Kosten verbunden.“

■ Der Anschaffungspreis

„Wir benötigen für den Schülertransport größtenteils neunsitzige Kleinbusse, aber auch Pkw. Die sind in der Ausführung als Elektro-Fahrzeuge in der Anschaffung deutlich teurer als herkömmliche Vergleichsmodelle“, rechnet Schulz vor. Die Zahl der Fahrzeuge, die für den Schülerverkehr eingesetzt werden, variiere von Jahr zu Jahr und liege im mittleren zweistelligen Bereich. Eine Internetrecherche hat folgende Preisbeispiele ergeben: Ein Citroën e-SpaceTourer ist ab etwa 56.200 Euro zu haben, ein konventionell angetriebener SpaceTourer ab etwa 40.600 Euro. Ähnlich sieht es beim Opel Vivaro aus: Die E-Version wird ab etwa 51.000 Euro angeboten, Modelle mit Verbrenner-Motoren gibt es ab circa 38.700 Euro. Und auch bei Mercedes gibt es deutlich Preisunterschiede: Einen EQV bekommt man neu ab etwa 60.000 Euro, einen Vito Tourer ab etwa 48.000 Euro.

■ Die Modellauswahl

Es ist laut Schulz auf dem Markt zwar eine Reihe von potenziell geeigneten Modellen im Angebot, doch ihm sei es wichtig, dass es Vertragswerkstätten vor Ort gibt. „Und dann bleiben nur noch drei bis vier Anbieter übrig, die für uns infrage kommen - und das sind nicht unbedingt die günstigsten“, bedauert der Geschäftsleiter.

Wichtig: Der Qualivita-Fahrservice teilt sich auf in den Schülertransport und in den Bereich Mietwagen/Krankenfahrten. Letztgenannter ist vom „Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetz“ nicht betroffen.

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