Verzweifelter Kampf um
die Rückkehr ins Berufsleben
Eine 53-Jährige Frau aus Wendeburg will mit ihrer Geschichte zeigen,
wie schwer es sein kann, nach einer erzwungenen Auszeit wieder einen Job zu finden

Kristine P. formuliert eine Bewerbung. Die 53-Jährige aus der Gemeinde Wendeburg hat nach einer Zwangsauszeit im Beruf Schwierigeiten, einen neuen Job zu finden.Foto: Ralf Büchler
Kreis Peine. Jedes Mal dieses vorfreudige Kribbeln. Jedes Mal die niederschmetternde Enttäuschung. Auf jede Bewerbung seit Sommer hat Kristine P. (Name geändert) aus der Gemeinde Wendeburg eine Absage erhalten. Sie ist frustriert, verzweifelt. Dass ihr das passiert - „Das hätte ich mir nicht träumen lassen“, sagt sie. Denn 25 Jahre hatte sie erfolgreich und gerne im Einzelhandel gearbeitet, kann sogar zusätzlich eine handwerkliche Ausbildung vorweisen. Offene Stellen, die sie interessieren würden, gibt es viele. Doch nach einer Zwangspause im Job scheint die 53-Jährige bei Arbeitgebern nicht mehr gefragt zu sein. Mit ihrer Geschichte will sie zeigen, wie schwer es sein kann, nach einer Auszeit die Rückkehr ins Berufsleben zu schaffen.

Plötzlich ging gar nichts mehr. Zwei private Schicksalsschläge haben Kristine P. vor rund vier Jahren den Boden unter den Füßen weggezogen. Erst verlor sie ihre Mutter und musste sich regelmäßig krankmelden, weil die Trauer sie lähmte. Dann verlor sie ihren Job in einem Möbelhaus. Als Küchenplanerin hatte sie gearbeitet. „Ich habe diesen Job geliebt“, sagt sie. Sie habe gerne mit Menschen zu tun, sei kommunikativ und brachte für ihre Aufgabe noch eine Top-Zusatz-Qualifikation mit. „Ich bin gelernte Tischlerin“, erzählt sie.

Dicke Bretter zu bohren, das hat sie gelernt, doch diese Bretter waren zu dick. Der Tod der Mutter und der Jobverlust führten dazu, dass sie lange Zeit krankgeschrieben und eine medizinische und psychosomatische Reha nötig war. Doch Kristine P. hat sich aus dem mentalen Loch gekämpft, derzeit nimmt sie an einer beruflichen Reha bei einem Berufsförderungswerk teil, das darauf spezialisiert ist, Menschen bei der Rückkehr ins Berufsleben nach Krankheit, Unfall oder Arbeitslosigkeit zu unterstützen. Kristine P. kann und will wieder arbeiten. Doch sie hat das Gefühl, niemand will sie mehr. „Man hat die ganzen Jahre gearbeitet, dann festzustellen, man ist nicht mehr gewollt – das tut weh“, sagt die 53-Jährige.

Unzählige Bewerbungen hat sie geschrieben. Die Hälfte der potenziellen Arbeitgeber habe sich nicht einmal zurückgemeldet, bedauert sie. Zu drei Vorstellungsgesprächen wurde sie eingeladen – von Erfolg gekrönt war es nicht. „Überall wird gejammert, dass Personalmangel herrscht. Das passt doch nicht zusammen“, sagt sie.

Die 53-Jährige ahnt, was ihr Handicap, ihre Hypothek ist. Am Ende der Reha entlässt die Reha-Einrichtung ihre Patienten mit einer Leistungsbeurteilung. Darin legen die Mediziner zum Beispiel fest, wie viele Stunden der Patient noch arbeiten soll und was er leisten kann und was nicht. Sechs Stunden täglich arbeiten – darin sehen die Ärzte für Kristine P. kein Problem. Doch sie wird darin auch so beurteilt, dass sie keine Berufe mit Zeitdruck ausüben soll. Auch Berufe, die einen besonderen mentalen Druck haben, sind raus. Dazu könnten zum Beispiel Beschäftigungsverhältnisse zählen, bei denen nur ein kleines Grundgehalt verankert ist und Provisionen für abgeschlossene Verkäufe erzielt werden müssen, um gut über die Runden zu kommen.

„Die Leistungsbeurteilung bringt Probleme“, sagt sie. Sie traut sich eigentlich mehr zu. Eine Stelle in ihrem alten Job als Küchenplanerin zu finden, hält sie daher für unrealistisch. Denn: „Da sind Provisionen üblich“, erläutert sie. Beratung, Verkauf, Marketing, Tourismus – die Wendeburgerin kann sich vieles vorstellen, ist offen für einen Quereinstieg. „Besonders schön wäre es, wenn es ein Job wäre, wo ich andere Menschen glücklich machen kann.“

Oft höre sie aus der Politik die spitzzüngige Ansage, wer arbeiten wolle, der finde auch Arbeit. Doch daran zweifelt die 53-Jährige gerade. Von Arbeitgebern wünscht sie sich mehr Mut. Mut, auch mal jemanden einzustellen, der eine längere Pause einlegen musste, jetzt aber für etwas Neues brennt. Anreize für Arbeitgeber gibt es zumindest. „Solange ich eingearbeitet werde, müsste der Arbeitgeber keinen Lohn zahlen, sondern mir würde weiterhin Übergangsgeld gezahlt“, weiß die Wendeburgerin. Die Hoffnung hat sie noch nicht aufgegeben.

Zusätzlich belastend sei allerdings, dass die berufliche Reha möglichst innerhalb von sechs Monaten zu einer Vermittlung in den Arbeitsmarkt führen soll. Gelingt das nicht, müsse jeden Monat ein neuer Antrag auf eine Fortsetzung gestellt werden. „Man ist ständig in Sorge, aus der Maßnahme zu fliegen“, sagt Kristine P..

Ob Krankheit, Unfall oder Arbeitslosigkeit: Bei der Rückkehr in den Beruf helfen zahlreiche Bildungswerke, kommunale Einrichtungen oder die Agentur für Arbeit. Rebecca Bock ist beim landesweit agierenden Berufsförderungswerk Job-Inn für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig und weiß, dass die Teilnehmenden von beruflichen Reha-Maßnahmen mitunter etwas Geduld haben müssen. „Einen neuen Job zu finden, dass dauert manchmal nur ein paar Monate, manchmal aber auch zwei Jahre“, sagt sie.

Von Arbeitgebern wünscht sie sich, offen für Quereinsteiger zu sein. Eine gute Möglichkeit, um Bewerber, die aus einer längeren Auszeit kommen, genauer kennenzulernen, seien Hospitationstage und Praktika. „Da kann man den Menschen besser kennenlernen, sehen, ob jemand ins Team passt.“ Ihr Eindruck ist sogar, dass Arbeitgeber sich zuletzt wieder aufgeschlossener gegenüber erfahrenen Bewerbern zeigen. „Weil sie Erfahrung und Wissen mitbringen, was junge Arbeitnehmer oder Auszubildende noch nicht mitbringen.“

An die Teilnehmenden der beruflichen Reha appelliert sie, flexibel und aufgeschlossen für neue Berufe und Branchen zu sein. Kristine P. ist das. Sie hofft, dass eine ihrer nächsten Bewerbungen zum Happy End führt. „Denn mir fehlt etwas – eine sinnvolle berufliche Aufgabe“, betont sie.

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