Für die EU war es ein Thema von mehreren: Unter der Überschrift Nachhaltigkeit stellte sie eine Initiative für besseren Bodenschutz vor, eine gegen Lebensmittelverschwendung und – dazwischen und fast so ein bisschen nebenbei – einen Vorschlag für die Lockerung der Regeln für die grüne Gentechnik. EU-Kommissionsvize Frans Timmermans schwärmte, die Methoden der sogenannten Neuen Gentechnik seien „schneller, präziser und effizienter“ als ihre Vorgängertechniken. Landwirte bekommen dadurch Saatgut, das den Einsatz von weniger Pestiziden ermögliche und außerdem den Klimawandel besser vertragen würde.
Der Vorschlag sieht vor, dass Pflanzen, deren Saatgut mit Methoden der Neuen Gentechnik (NGT) hergestellt wurde, im Freiland angebaut werden können, ohne dass zuvor eine Risikoprüfung oder eine Genehmigung nötig ist. Sie sollen lediglich in ein Register aufgenommen werden. Zur NGT gehört etwa die sogenannte Genschere, deren bekannteste Form den Namen Crispr/Cas trägt.
Für Lebensmittel, die aus NGT-Pflanzen hergestellt werden, entfiele im Laden die Kennzeichnung als genetisch verändert. Dies wird damit begründet, dass sich das Saatgut nach dem Genschereneingriff nicht von Saatgut unterscheiden lasse, das mit anderen, konventionellen Methoden gezüchtet wurde. Ausgenommen von der Lockerung bleiben Pflanzen, in die mittels Genschere artfremdes Genmaterial eingefügt wurde.
Auch für NGT-Pflanzen, denen eine Herbizidresistenz angezüchtet wurde, gelten weiter Genehmigungs- wie Kennzeichnungspflicht. Für tierische Produkte wie Fleisch und Milch gilt schon jetzt keine Kennzeichnungspflicht, wenn etwa genetisch veränderte Futtermittel zum Einsatz gekommen sind.
In der Lebensmittelbranche und bei Umweltverbänden löste der Vorschlag Empörung aus. Es handele sich um einen Angriff auf die Biobranche und alle Unternehmen, die auf Produkte ohne Gentechnik setzten, sagte Bernhard Stoll vom Verband Lebensmittel Ohne Gentechnik (VLOG). „Die EU-Kommission schickt sich an, nachhaltige Unternehmenswerte zu vernichten.“ Allein in Deutschland mache dieser Bereich 30 Milliarden Euro Umsatz im Jahr.
Die Wissenschaftsakademie Leopoldina und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) stellten fest, NGT-Pflanzen könnten einen Beitrag leisten, „Ressourcenprobleme zu lösen und nachhaltige Landwirtschaft zu betreiben“. Bis die neuen Vorschläge in Kraft treten, dürften noch Monate, wenn nicht Jahre vergehen. Das Europaparlament und die EU-Mitgliedsländer müssen sich erst noch auf eine gemeinsame Position einigen.