In den vier ‚Asbest-Jahrzehnten‘ wurden laut IG BAU in Salzgitter rund 12.800 Wohnhäuser mit 34.000 Wohnungen neu gebaut. „Das sind immerhin 54 Prozent aller Wohngebäude, die es heute in der Stadt gibt. Dazu kommen noch Gewerbegebäude, Garagen, Ställe und Scheunen in der Landwirtschaft“, so der Bezirksvorsitzende der IG BAU Braunschweig-Goslar. Er verweist dabei auf die „Situationsanalyse Asbest“, die die Gewerkschaft beim Pestel-Institut (Hannover) in Auftrag gegeben hat.
„Asbest ist ein krebserregender Stoff. Wer in einem asbestbelasteten Haus wohnt, muss sich trotzdem erst einmal keine Sorgen machen. Erst bei Sanierungsarbeiten wird es kritisch. Dann kann Asbest freigesetzt und damit zu einem ernsten Problem werden“, sagt Karl-Heinz Ehrenberg. Er warnt vor einer „unsichtbaren Gefahr“, wenn Altbauten zu Baustellen werden: „Alles fängt mit Baustaub und dem Einatmen von Asbestfasern an. Bauarbeiter und Heimwerker haben kaum eine Chance, diese Gefahr zu erkennen.“
Bis zu 30 Jahre dauert es laut IG BAU, ehe es zur tragischen Diagnose komme: Asbestose – mit Lungen-, Bauchfell- oder Kehlkopfkrebs. Zum Komplett-Schutz bei einer Sanierung mit Asbest-Gefahr gehöre daher immer mindestens eine FFP3-Atemschutzmaske. Ebenso ein Muss sind Overall, Schutzbrille und Handschuhe.
„Altbauten in Salzgitter sind ein tonnenschweres Asbest-Lager. Die krebserregende Mineralfaser steckt in vielen Baustoffen. Die ‚Asbest-Fallen‘ lauern überall: Asbest ist oft im Putz und sogar in Spachtelmassen und Fliesenklebern. Vor allem aber im Asbest-Zement. Daraus wurden vorwiegend Rohre, Fassadenverkleidungen und Dacheindeckungen gemacht. Eternit war typisch für den Westen, Baufanit für den Osten“, sagt Karl-Heinz Ehrenberg. Ein großes Problem sei Spritz-Asbest. „Hier sind die Asbestfasern schwächer gebunden. Sie können deshalb leichter freigesetzt werden. Vor allem Aufzugsschächte sowie Schächte mit Versorgungs- und Entsorgungsleitungen wurden früher intensiv mit Spritzasbest verkleidet“, erklärt der Berziksvorsitzende.
Die IG BAU spricht von einer neuen „Asbest-Gefahr“: „Wir stehen am Anfang von zwei Sanierungsjahrzehnten. Die energetische Gebäudesanierung wird enorm an Fahrt aufnehmen. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, wird auch in Salzgitter in den nächsten Jahren ein Großteil der Altbauten angefasst.“ Dabei bleibe es in den meisten Fällen nicht bei einer reinen Energiespar-Sanierung.
„Wohnhäuser werden modernisiert, senioren- und familiengerecht umgebaut. Es wird angebaut und aufgestockt, um mehr Wohnraum zu bekommen“, so Karl-Heinz Ehrenberg. Mit der Sanierungswelle drohe deshalb jetzt auch eine Asbest-Welle auf dem Bau. Sie sei eine Gefahr – für Bauarbeiter genauso wie für Heimwerker. Bei einer Sanierung im bewohnten Zustand sei es wichtig, mit „allergrößter Sorgfalt professionell vorzugehen“, mahnen Karl-Heinz Ehrenberg und der Leiter des Pestel-Instituts, Matthias Günther.
Die IG BAU will der drohenden „Asbest-Welle“ mit einem Maßnahmenpaket entgegentreten. Die Bau-Gewerkschaft hat dazu eine bundesweite „Asbest-Charta“ mit zentralen Forderungen für mehr Schutz vor Asbest vorgelegt. „Es geht dabei um bessere Informationen über Asbest-Gefahren bei Gebäuden, um die Förderung von Asbest-Sanierungen und vor allem auch um konsequenten Arbeitsschutz“, so Karl-Heinz Ehrenberg.
Der Gewerkschafter fordert einen Schadstoff-Gebäudepass mit unterschiedlichen Gefahrenstufen für die jeweilige Asbest-Belastung. „Jeder Bauarbeiter und jeder Heimwerker muss wissen, auf was er sich einlässt, wenn er Fliesen abschlägt, Wände einreißt oder Fassaden saniert.“ Karl-Heinz Ehrenberg plädiert für eine staatliche Sanierungsprämie. Dazu müsse der Bund ein KfW-Förderprogramm „Asbest-Sanierung“ schaffen, um Kosten abzufedern, die bei einer Sanierung in asbestbelasteten Wohnhäusern zusätzlich entstehen. Außerdem ließe sich damit auch eine ordnungsgemäße Entsorgung von alten Asbest-Baustoffen sicherstellen.
Die Gewerkschaft fordert deshalb eine intensive Asbest-Aufklärung: „Bauarbeiter und Heimwerker müssen wissen, wie der optimale Schutz vor Asbest aussieht“, so Karl-Heinz Ehrenberg. Er fordert eine Informationskampagne des Bundes und der Länder. Die heimischen Abgeordneten seien jetzt am Zug, den drohenden Gefahren einer „Asbest-Welle“ mit einem effektiven Maßnahmenpaket entgegenzutreten.